Die Schlüssel zum Königreich 01 - Schwarzer Montag
»Noch ein Ratschlag. Gehe nicht in die Nähe des Alten! Gehe in die Nähe des Alten! Bleibe nicht länger als zwölf. Vertraue dem Vermächtnis! Vertraue dem Vermächtnis nicht! Ich wünschte, irgendjemand würde mir einmal eine klare Auskunft geben!«
Er hielt inne, als ob er eine Antwort erwartete, aber natürlich bekam er keine. Arthur schüttelte den Kopf und machte sich wieder auf den Weg. Um sicherzustellen, dass er nötigenfalls zurückfinden würde, nahm er zehn Stücke Kohle von der ersten Pyramide und legte sie an ihrer Basis aus. Bei der nächsten Pyramide nahm er neun Stücke, bei der folgenden acht und so weiter, bis er bei einem angelangt war; dann fing er von vorne an, legte aber ein zusätzliches Stück gesondert aus, um anzuzeigen, dass es die zweite Serie war.
Als er an der einhundertsechsundzwanzigsten Pyrami de vorbeikam, begann er, verschiedene Dinge zu bezweifeln. Erstens, dass er den Alten finden würde; zweitens, dass Pravuil ihn in die richtige Richtung geschickt hatte; drittens, dass die Grube, durch die erwanderte, tatsächlich nur so groß war, wie sie von ihrer oberirdischen Öffnung aus erschien.
Auch wurde ihm sehr kalt, trotz der ständigen Bewegung. Hungrig fühlte er sich nicht; dennoch wünschte er sich etwas zu essen, weil es ihn aufwärmen würde. Zu mindest glaubte er das. Gewiss würde es aber die Lan geweile lindern, während er durch dieses jämmerlich kalte, feuchte und dunkle Loch wanderte, in dem es nichts als Kohle gab.
Weil er müde war, hatte Arthur den Schlüssel allmählich sinken lassen, sodass der Lichtkreis kleiner und klei ner geworden war, bis er gerade noch den Boden um sei ne Füße erhellte. Jenseits dieses Lichtes lag nur Dunkelheit, bis Arthur plötzlich etwas schimmern sah, das nicht von seinem Schlüssel beleuchtet wurde: Es war ein anderes Licht! Ein blaues, schimmerndes Licht wie von einem Gasfeuer, irgendwo vor ihm.
Arthur hielt den Schlüssel höher und beschleunigte seine Schritte. Das musste die Stelle sein, wo der Alte sich aufhielt! Er fühlte sich nervös und aufgeregt zugleich; nervös, weil Morgengrauen und die Portierfeldwebel wirklich Angst vor dem Alten hatten, genau wie Pravuil; aufgeregt, weil es eine willkommene Abwechslung zu dem Einerlei aus kalten Pfützen und Kohle war. Vielleicht würde er etwas zu essen bekommen oder, noch besser, den Weg nach draußen erfahren!
Als er sich dem Licht näherte, ging Arthur langsamer und hielt den Schlüssel noch höher; er wollte nicht von irgendetwas überrascht werden. Jeder Schatten hinter einer Pyramide drohte ein Hinterhalt zu sein, aber die Pyramiden wurden immer weniger, wie auch die Pfützen. Er kam auf offenes Gelände, auf trockneren, höhergelegenen Boden. Auch der Kohlenstaubschlamm unter seinen Füßen wich zunehmend Flecken trockenen Steins.
An der letzten Kohlepyramide duckte Arthur sich, um auszuspähen, was vor ihm lag. Er musste oft blinzeln, weil es schwierig war, in dem merkwürdigen Zwielicht aus dem Schein des Schlüssels und dem blauen Schimmer, der das Gebiet vor ihm erhellte, etwas zu erkennen.
Was er sah, war eine erhöhte kreisrunde Plattform, et wa wie eine niedrige Bühne aus Stein, die zirka zwanzig Me ter im Durchmesser maß. Um den Rand dieser Plattform standen aufrechte römische Ziffern, und zwei lange Metallstäbe entsprangen einer zentralen Nabe, von denen einer kürzer als der andere war. Während Arthur schaute, bewegte sich der längere Stab ein bisschen und rückte mit der Spitze ein Stück den Rand entlang.
Es war ein Minutenzeiger, wurde Arthur plötzlich klar; die runde Plattform war ein Zifferblatt! Ein enormes Zifferblatt, das flach auf dem Boden lag. Aber das war nicht das Merkwürdigste. Am Ende der Uhrzeiger waren Ketten befestigt und liefen nahe der zentralen Nabe durch einen Mechanismus von Zahnrädern und Rollen, dessen Sinn er nicht erkennen konnte. Außerdem führten die Ketten zu den Handschellen an den Gelenken eines Mannes, der neben der Ziffer Sechs saß. Diese Ketten waren es, die das schimmernde Licht verströmten. Sie schienen aus Stahl zu sein, aber das war nicht möglich; kein Stahl leuchtete in solch einem intensiven spektralen Blau.
Auch der Mann war nicht wirklich ein Mann, bemerk te Arthur und ließ seine Größe auf sich wirken. Er war ein Riese, mindestens zweieinhalb Meter groß. Er sah aus wie der barbarische Held eines früheren Zeitalters; die Muskeln an seinen Armen und Beinen spannten sich unter der Haut wie
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