Die Schlüssel zum Königreich 03 - Kalter Mittwoch.epub
er noch sprach, brach der Boden auseinander; in der Mitte des Zimmers öffnete sich ein tiefer Spalt. Gelber Schlamm kochte aus dem Riss nach oben, angekündigt von stinkenden Gaswolken. Katzenkissen stand auf der falschen Seite und umklammerte seine Vitrine.
Arthur hielt die Luft an und packte Blatt und Susi, und vielleicht packten sie auch ihn, jedenfalls sprangen sie zu dritt durch die Spiegel des Kleiderschranks, unmittelbar bevor der Spalt im Boden noch weiter aufriss und den Schrank zum Kippen brachte.
Das Innere des Schrankes war ein Tohuwabohu aus zertrampelten Kleidungsstücken und zerbrochenem Mobiliar. Noch schlimmer war, dass er nach vorn gekippt war, sodass die verspiegelte Rückwand jetzt die Decke bildete, vier Meter über den drei Kindern und unmöglich zu erreichen.
»Stellt euch auf meine Schultern –«, begann Arthur, doch er hatte die Rechnung ohne Sonnenstich gemacht, der sich in einer Ecke eingekeilt hatte. Ohne ein Wort zu verlieren, hob der Zweite Offizier Blatt hoch und warf sie geradewegs nach oben durch das Spiegelportal. Als er nach Susi griff, sprang diese selbst, kam mit einen Fuß auf seiner Schulter zu stehen und schnellte sich ohne weitere Hilfe hinter Blatt her.
Arthur stolperte; sein krabbengepanzertes Bein hatte sich in den am Boden liegenden Mänteln verfangen.
»Gehen Sie!«, rief er Sonnenstich zu, während er vergeblich versuchte, sich zu befreien, und die Sache dadurch nur noch schlimmer machte. »Gehen Sie!«
K APITEL D REISSIG
S onnenstich ging tatsächlich, aber vorher packte er sich Arthur unter seinen kräftigen Arm, sprang auf eine der herausstehenden Sprungfedern der ramponierten Chaiselongue und nutzte den Schwung, um sich selbst, Arthur und den Mantelwirrwarr durch das Portal zu katapultieren.
Das alles ging so schnell vonstatten, dass Arthur kaum Zeit hatte einzuatmen und auch nicht Vorsorgen konnte, dass das Glas des Karpfens ordentlich in seiner Tasche verstaut war. Er sah es an sich vorbeiwirbeln, und dann war er auch schon auf der anderen Seite des Spiegels und nur noch von Wasser umgeben.
Auch als Arthur sich strampelnd von den Mänteln befreite, ließ Sonnenstich ihn nicht los. Er griff in eine Richtung aus, von der Arthur hoffte, dass es die zur Oberfläche war; erkennen konnte er nämlich nichts außer Dunkelblau und Unmengen von Blasen.
Wir könnten Hunderte von Metern tief sein, dachte er. So viel habe ich durchgestanden, um am Ende zu ertrinken … ich werde es nie schaffen … die Bürger schon, aber ich nicht … und Blatt auch nicht … es ist alles mein Fehler … ich hätte darauf bestehen müssen, dass sie das Krankenhaus verlässt … wie soll ich das jemals ihren Eltern erklären … ich muss Luft holen, ich muss Luft –
Das dunkelblaue Wasser wurde plötzlich heller und unterbrach Arthurs panische Gedanken. Rings herum sah er Arme und Beine; manche griffen kraftvoll aus, andere paddelten nur wie ein Hund, wieder andere überließen dem Auftrieb die Arbeit.
Dann, bevor er die Überlegung zu Ende bringen konnte, dass die Helligkeit die nahe Oberfläche bedeuten musste, war er auch schon mit dem Kopf an der Luft. Licht und Sauerstoff hießen ihn willkommen, und er keuchte und lachte, während ihm gleichzeitig das Wasser aus Mund und Nase lief.
Überall, so weit das Auge reichte, tauchten Bürger auf und schaukelten in der leichten Dünung sanft auf und ab. Arthurs Blick glitt rasend schnell über jeden Überlebenden auf der Suche nach den Gesichtern, die er am meisten sehen wollte – und da waren sie! Susi, etwa zehn Meter von ihm weg; Blatt, etwas näher. Und da war auch ein Marmeladenglas, das sich auf mysteriöse Weise übers Wasser und direkt in Arthurs Hand bewegte.
»Sie können mich jetzt loslassen, Sonnenstich«, sagte Arthur. »Danke.«
»Ich mag das Schiff verloren haben, aber ich habe noch niemals einen Passagier verloren«, antwortete Sonnenstich. Er lockerte seinen Griff, woraufhin Arthur prompt unterging und wieder hochgezogen werden musste, bis ihm das Wassertreten ausreichend gut gelang.
»Ich habe Kalter Mittwoch gerufen«, sagte der Karpfen. »Sie ist auf dem Weg hierher und wird in Kürze eintreffen.«
»Sie haben was? Sie wird uns fressen! Ich dachte, wir würden uns zuerst auf trockenes Land in Sicherheit bringen!«
»Ich bin sicher, dass sie uns nicht fressen wird«, meinte der Karpfen. »Habe Vertrauen, Arthur …«
Arthur hörte nicht mehr zu. Er reckte den Kopf aus dem Wasser, um sich umzuschauen, in
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