Die Schlüssel zum Königreich 03 - Kalter Mittwoch.epub
der Hoffnung, irgendwo Festland oder ein Schiff oder sonst etwas Hilfreiches zu entdecken. Aber alles, was sich seinen Blicken darbot, waren Tausende dahintreibender Bürgerhappen, die auf einen wahnsinnig hungrigen Leviathan einen ausgesprochen verlockenden Eindruck machen mussten.
»Wie konnten Sie mit ihr in Verbindung treten?«
»Ich bin das Vermächtnis. Sie ist die Treuhänderin. Jetzt, da ich wieder im Haus bin, kann ich in ihrem Verstand sprechen, so wie ich es bei dir getan habe, Arthur.«
»Nun, dann sagen Sie ihr, sie soll menschliche Gestalt annehmen«, verlangte Arthur. »Und sagen Sie ihr, sie soll ihrer Morgengrauen befehlen, mit so vielen Schiffen hierherzukommen, wie sie auftreiben kann. Können Sie das?«
»Ich kann die Nachricht in ihren Geist sprechen«, entgegnete der Karpfen. »Ob sie völlig durchdringen wird, ist unklar. Es ist erledigt.«
»Können Sie auf diese Weise auch mit anderen sprechen?«, wollte Arthur wissen. »Mit den Erhobenen Ratten beispielsweise?«
Der Karpfen schüttelte seine schnurrbartartigen Barteln hin und her.
»Nein. Ich bin mit dir als dem Rechtmäßigen Erben verbunden und mit Mittwoch als der Treuhänderin.«
»Land in Sicht!«
Der Ruf kam von einigen Bürgern, die nah bei Arthur schwammen. Er paddelte herum, aber auch ohne hinzusehen, wusste er schon, welcher Anblick ihn erwartete.
Es war kein Land, auch wenn es so aussah.
Es war Kalter Mittwoch, die auf sie zusteuerte. Immer noch riesig und fast sicher noch hungrig.
»Wir haben’s geschafft!«
Es war Susi, die auf dem Rücken herübergeschwommen kam.
»Sag das nicht!«, widersprach Arthur. »Wir haben es nicht geschafft. Wahrscheinlich werden wir gefressen werden. Mittwoch wird sich nicht beherrschen können, wenn sie all diese Bürger umhertreiben sieht. Das wird wie dreitausend Appetithäppchen auf sie wirken, die nur darauf warten, von ihr gemampft zu werden.«
»Ist sie das?«, fragte Blatt, deren Schwimmstil einen ausgesprochen geübten und ökonomischen Eindruck machte. Sie lehnte sich zurück und ließ sich bequem treiben, wobei sie kreisende Bewegungen mit den Händen vollführte. »Wow! Das nenn’ ich gewaltig!«
»Wenn jemand eine schlaue Idee hat – jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, sie auszuspucken«, sagte Arthur und spuckte selbst das Meerwasser aus, das ihm während des Sprechens in den Mund geschwappt war.
»Schade, dass der Kapitän nicht hier ist«, bedauerte Susi. »Es wäre bestimmt interessant zu beobachten, was seine Harpune bei einem Wal dieser Größe anstellen könnte.«
»Niemals!«, entrüstete sich Blatt. »Ich werde nicht zulassen, dass irgendjemand irgendeinen Wal harpuniert! Ich bin Mitglied von Greenpeace –«
»Sie meint es nicht wirklich so, Blatt«, beschwichtigte Arthur sie. »Und der Mariner würde das ohnehin nicht tun. Glaube ich. Ich wünschte, er wäre hier. Mit einem Schiff.«
»Der Mariner?«, fragte der Karpfen nach. »Der mittlere Sohn der Architektin? Ihr Adoptivkind?«
»Ja«, bestätigten Arthur und Susi im Chor.
»Es könnte mir vielleicht gelingen, in seinem Verstand zu sprechen«, grübelte der Karpfen. »Schließlich ist er mit der Architektin verwandt. So gesehen vermute ich, dass ich auch mit dem Pfeifer oder Lord Sonntag sprechen könnte.«
»Lord Sonntag!«, rief Arthur überrascht. »Wie das? Ist er –«
»Das älteste Kind der Architektin und des Alten. Ihr erster gemeinsamer Versuch, als die Architektin den Körper einer Sterblichen bewohnte –«
»Schon gut, wir brauchen jetzt keine Geschichtsstunde«, schnitt Arthur ihm das Wort ab. Kalter Mittwoch ragte immer bedrohlicher empor, und die freudigen ›Land in Sicht‹-Rufe waren längst solchen der Angst gewichen. »Versuchen Sie, ob sie mit dem Mariner kommunizieren können! Vielleicht schafft er es, mit einem Schiff hierherzukommen und uns aufzusammeln, bevor Mittwoch –«
»So einfach ist das nicht«, sagte der Karpfen. »Ich habe ihn schon Jahrtausende nicht mehr gesehen, und es ist auch nicht so, als ob ich befugt wäre, irgendetwas von ihm zu verlangen. Zuerst einmal muss ich mir überhaupt ins Gedächtnis rufen, wie er aussieht. Davon abgesehen bin ich sicher, dass Mittwoch uns nicht fressen wird –«
»Warum benutzt du nicht den Zauber des Mariners, den du trägst?«, schlug Sonnenstich Arthur vor. »Oder ist er aufgebraucht?«
»Den Zauber des Mariners?«, fragte Arthur. Er zog die Scheibe heraus, wobei sein Kopf erneut unter Wasser geriet;
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