Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schluesseltraegerin - Roman

Die Schluesseltraegerin - Roman

Titel: Die Schluesseltraegerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
Vom Netzwerk:
unbemerkt hatte sich eine Wespe in Ingas Armbeuge gesetzt und zugestochen, als sie beim Gehen den Arm leicht anwinkelte.
    Schmerzensschreie zu unterdrücken, darin war Inga geübt,
aber vor Schreck hatte sie bisher immer kreischen müssen, und so war es auch nun.
    Natürlich war Agius von dem entsetzlichen Geräusch aus seiner Starre erwacht. Ungläubig blickte er Inga an, die gerade dabei war, das Gift aus ihrem Arm zu saugen.
    »Nur ein Wespe, mehr nicht. Ich bin schon wieder weg.«
    »Warum läufst du mir hinterher?«, fragte er streng.
    »Ich bin gekommen, um … Es gibt Schwierigkeiten mit den beiden … Wie soll ich sagen? Hilfe benötige ich, deshalb bin ich da«, druckste Inga mit gesenktem Kopf herum.
    »Zeig her.«
    Er stand auf und kam auf sie zu. Noch immer war sein Gesicht wie versteinert. Langsam griff er nach Ingas Arm und strich mit den Fingern über die anschwellende Stelle. Doch die Finger blieben nicht dort. Inga bekam eine Gänsehaut. Starr und ohne sich zu bewegen schaute sie ihn unverwandt mit großen Augen an, während seine Hand bereits an ihrem Hals angekommen war.
    Dann beugte er sich zu ihr. Sie glaubte, er wolle sie küssen, und so hob sie den Kopf, schloss die Augen und erwartete voller Spannung, dass sich ihre Lippen trafen. Doch stattdessen spürte sie seinen warmen Atem an ihrem Ohr. Seine Hände lagen bereits leicht auf ihren Hüften, und er flüsterte: »Ich habe gelobt, solche Dinge nicht zu tun.«
    Sein Gesicht war nun ganz nah an dem ihren, er schaute ihr in die Augen, aber er berührte sie nicht. Auch seine Hände hatten sich wieder von ihren Hüften gelöst.
    Inga war irritiert. So etwas hatte sie bisher nicht erlebt. Wenn sie mit Rothger oder Ansgar zusammengewesen war, so hatten beide kein Hehl aus dem gemacht, was sie beabsichtigten. Ihre Hände waren überall gewesen, hatten fest zugepackt und sich genommen, was sie wollten. Ingas einzige Aufgabe war es
gewesen, zu alldem zur Verfügung zu stehen. Oft fand sie Gefallen daran, manches Mal nicht, aber auch das war zu ertragen gewesen.
    Dieser nun, der berührte sie nicht einmal. Er stand einfach nur da, ganz nah bei ihr, und wartete.
    Worauf wartete er?
    Was sollte sie tun?
    Sollte sie es wagen?
    Sie wünschte es sich sehr, ja, in diesem Moment wünschte sie sich nichts mehr als das. Und auch ihm ging es nicht anders. Das spürte sie, das hörte sie an seinem schweren Atem, das sah sie im Ausdruck seiner Augen.
    Und dann tat sie es. Sie schloss ihre Augen, stellte sich ein wenig auf die Zehenspitzen und beugte ihren Kopf dieses winzige Stück nach vorn, das nötig war, damit sich ihre Lippen trafen. Es war nur eine leichte Berührung, aber Inga kam es vor, als würden tausend grelle Blitze sie durchzucken.
    Dann schlang sie ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn leidenschaftlicher, inniger. Er schien überrascht, erwiderte ihre stürmische Attacke nur zurückhaltend, wehrte sich aber nicht. Inga nahm seine Hände und legte sie sich wieder auf die Hüften, führte sie weiter zu ihrem Hinterteil, drückte sie, ihn somit auffordernd, fester zuzugreifen.
    Und nun schien auch ihn der Blitz getroffen zu haben. Vollkommen verändert, ja gar nicht einmal so anders als Rothger und Ansgar, zog er Inga herab, warf sich mit ihr auf den steinigen und von Wurzeln durchwachsenen Waldboden und begann sie überall zu berühren. Seine Lippen nach wie vor auf ihre pressend, wanderten seine Hände zunächst über ihr leichtes, leinenes Kleid, aber dann waren sie darunter verschwunden.
    Die ganze Welt um sich herum vergessend, die zwitschernden
Vögel, die Tiere des Waldes, den eventuell bald heimkehrenden Melchior und auch den merkwürdigen Besucher, der vor wenigen Momenten erst gegangen war – all dies nicht beachtend, waren sie allein mit sich beschäftigt und mit dem, was sie beide sich schon seit so vielen Monaten immer und immer wieder vorgestellt und verboten hatten.
    Hemmungslos liebten sie sich auf dem Waldboden, unweit des geheiligten Ortes, und erst als sie beide schwer atmend nebeneinander lagen, vollkommen verschwitzt und unbekleidet, erkannten sie, was sie da getan hatten. So innig und leidenschaftlich sie im Moment zuvor noch gewesen waren, so bestürzt waren sie jetzt. Agius mehr noch als Inga.
    Seine Kutte vom Boden aufklaubend, stand er auf und rannte zur Kirche – noch immer splitternackt. Inga blieb allein zurück. Sie fühlte sich miserabel. Schnell zog sie sich an, versuchte sich das Haar zu richten und stürzte

Weitere Kostenlose Bücher