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Die Schluesseltraegerin - Roman

Die Schluesseltraegerin - Roman

Titel: Die Schluesseltraegerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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Laten und ihren Buhlen, das war in der letzten Siedlung auf dem Wege zum Flecken Huxori geschehen. Immer wieder hatte Inga davon erzählen hören. Aufeinander soll man sie gelegt haben, ganz so wie der gehörnte Gatte die beiden ertappt hatte. Dann wurde Erde auf sie geschüttet und gewartet. Die Frau konnte sich nach einer ganzen Weile befreien und entkommen, der Buhle hingegen soll sich gerade ausgegraben haben, als er von dem Betrogenen in ebendem Moment, wo er das Tageslicht wiedererblickte, mit der Schaufel erschlagen wurde.
    Ähnlich schlimm war es dem Knecht des freien Konrad ergangen, einem Bauern, entfernt verwandt mit Ingas Sippe. Dieser Knecht hatte es gewagt, die jüngste, frei geborene Tochter des Konrad zu entjungfern. Und obwohl dies nicht gegen den Willen des Mädchens geschehen war, wurde ihm eine der übelsten Strafen zuteil: Entmannt hatten sie ihn. Einen harmlosen, trägen Ochsen aus ihm gemacht.
    Und nun drohte ein ebensolches Schicksal auch dem Arnulf,
Knecht auf dem Hofe des Ansgar. Eine der unverheirateten Schwestern des Frilings war von ihm schwanger gegangen. Und Inga hatte sich entschieden, diese Tat, welche ihr nun bekannt war, auf keinen Fall vertuschen zu helfen.
    Sie wollte sich nicht erpressen lassen, und sie wollte sich vor allem nicht verdächtig machen, deshalb würde sie nun Bruder Agius aufsuchen und ihm von den Machenschaften der Hilgerschen Schwestern erzählen. Er sollte, so war ihr Plan, zugegen sein, wenn Berta und Gisela am morgigen Tage erneut zu Ingas Hütte kamen, um nach dem giftigen Trank zu fragen. Zunächst in einer dunklen Ecke verborgen, sollte er lauschen, was die Zwillinge Schändliches an Inga herantrugen, und dann sollte er sich zu erkennen geben. Das war Ingas Vorhaben, und dieses vorzubringen, war sie nun auf den heiligen Berg gekommen. Doch getrauen wollte sie sich noch immer nicht recht.
    Denn – und das kam erschwerend hinzu – Bruder Agius war nicht allein. Ein weiterer Mönch, trotz des Sonnenscheins in seine Kapuze gehüllt, stand bei ihm. Es war nicht Melchior, denn er war von anderer Gestalt. Die beiden Gottesmänner hatten sich zunächst im Innern der Kapelle unterhalten, nun waren sie hinausgetreten, um sich höflich voneinander zu verabschieden, fanden dann aber offenbar erneut Dinge, über die zu sprechen ihnen wichtig erschien.
    Inga verbarg sich. Sie versuchte zu verstehen, was die beiden redeten, doch sie benutzten eine eigentümliche, vollkommen fremde Sprache. Schön klangen die Worte dieser Sprache in Ingas Ohren, fast wie Musik, aber so gern sie auch gewusst hätte, was die beiden da miteinander ausfochten, sie konnte kein Wort entschlüsseln. Ingas Neugierde war geweckt, weil es, trotz der fremdländischen Klänge, eindeutig war, dass die beiden plötzlich stritten. Ja, sie stritten sogar so heftig, dass Inga kurz versucht war zu glauben, dass Bruder Agius den anderen
im nächsten Moment zu Boden stoßen wollte. Er tat es nicht, aber die Hände hatte er bereits erhoben gehabt. Empört wandte sich der Kapuzenmann ab und schritt, noch immer Unverständliches vor sich hin murmelnd, davon.
    Sein Weg führte ihn an Inga vorüber, die sich nur schlecht hinter einer der Linden verborgen hielt. Bei der tief ins Gesicht gezogenen Kapuze hätte Inga es niemals für möglich gehalten, dass der Mönch sie erblicken könnte, doch dem war nicht so. Ganz plötzlich hielt er genau an ihrem Baum inne, hob den Kopf und sah Inga aus winzigen, rotunterlaufenen Augen mitten ins Gesicht. Er war dünn und unansehnlich. Seine Züge verrieten, dass er in seinem Leben nur wenig gelacht hatte, aber dennoch umspielte mit einem Mal ein kleines Lächeln seine schmalen, faltigen Lippen.
    »So, so«, sagte er plötzlich in ihrer Sprache. »Du wartest sicherlich auf Bruder Agius, Sachsenweib. Oder täusche ich mich da etwa?« Fast lüstern betrachtete er Inga noch eine Weile von oben bis unten und setzte dann seinen Weg fort.
     
    Bruder Agius hatte sich in den Wald hinter der Lichtung zurückgezogen. Dort saß er auf einem Baumstumpf, mit gesenktem Kopf, das Gesicht in die Hände gelegt. Leise versuchte Inga kehrtzumachen. Besser war es, vielleicht doch Bruder Melchior mit ihrem Anliegen zu belästigen, auch wenn dieser nicht die notwendige Autorität besaß, um die bösen Zwillinge zu schrecken. Während sie so dachte, sich vorsichtig umdrehte und dabei peinlichst zu vermeiden versuchte, auf einen knackenden Ast zu treten, geschah ein Unglück ganz anderer Art. Denn

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