Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schluesseltraegerin - Roman

Die Schluesseltraegerin - Roman

Titel: Die Schluesseltraegerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
Vom Netzwerk:
ihr verzecht, zahlt ihr drauf.«
    »Von Brei des Morgens und des Abends können sich kräftige Krieger wie wir nicht lange auf den Beinen halten. Wir brauchen Fleisch.«
    »Wollt ihr Fleisch, Kraut und Brot, Käse und Schinken, macht das das Doppelte. Und alles, was ihr verzecht, zahlt ihr dennoch drauf.«
    »Das ist Wucher, Sachse. Du nimmst von der Gesandtschaft
des Abtes, des höchsten Gottesmannes in dieser verlassenen Gegend. Hast du keine Sorge um dein Seelenheil?«
    »Pah«, rief Ottmar nur und spuckte einen schleimigen, grünen Auswurf in das Stroh auf dem Boden, welches somit durch eine weitere ekelhafte Zutat bereichert wurde. Dann schrie er in gewohnter Art nach Inga: »Weib, wo steckst du? Weib, wir haben Gäste.«
    Inga trat aus dem tiefdunklen Hintergrund in den nur halbdunklen vorderen Teil der Schänke. Sie senkte leicht den Kopf, um den Gast zu begrüßen.
    »Du bist doch die mit dem Schubkarren«, lachte der Mann.
    Aber Inga schüttelte nur schnell den Kopf und schielte zu Ottmar hinüber, sodass der Franke verstand, schwieg und sie freundlich anlächelte.
    »Wie viele seid ihr, mein Herr?«, fragte sie dann laut und unerschrocken.
    »Vierzehn Männer und vierzehn Rösser. Wir werden nicht weniger als fünf Nächte an diesem Ort bleiben, vielleicht sogar länger.«
    Ottmar starrte den Mann stumpf an, an seinem Gesicht konnte man ablesen, dass er damit beschäftigt war, die Summe zu addieren, die er in Silberdenaren einstreichen würde. Wenn er nur einmal im ganzen Jahr ein solches Geschäft machte, dachte Inga bei sich, so war es kein Wunder, dass er für den Rest des Jahres faul und immer fetter werdend auf seinem Hocker am Ofen saß.
    »Ich werde tun, was ich kann, mein Herr. Für euch Mannen gibt es Platz genug im hinteren Bereich der Taverne. Für die Rösser jedoch werde ich mich im Ort umhören müssen, ob der ein oder andere Freie oder Late einen Platz in seinem Stall zur Verfügung stellen kann. Denn mehr als fünf Tiere bekommen wir nicht unter.«

    »Ihr müsst ohnehin einige Ochsen schlachten, um uns die ganzen Tage durchzufüttern, gute Frau. Das schafft Platz für die Pferde.«
    »Von wegen«, brummte Ottmar. »Habe genug Trockenfleisch und Rauchwurst da. Da wird nicht frisch geschlachtet.«
    »Wir werden sicherlich nicht dein verdorbenes Trockenfleisch fressen, Sachse. Sei dir dessen gewiss.«
    Der Reiter war kein schöner Mensch, dachte Inga bei sich, als er nun so vor ihr stand. Auf dem Ross hatte er groß und mächtig ausgesehen, tatsächlich jedoch war er nicht viel größer als sie. Sie war zwar keine kleine Frau, aber diesen da hatte sie doch etwas imposanter in Erinnerung. Doch was ihm an Körperlänge fehlte, machte er durch breite Schultern und einen mächtigen Nacken wieder wett. Sein braunes, dichtes Haar fiel ihm bis weit über die Schultern, und der gepflegte dichte Bart wies bereits graue Stellen auf. Das, was man von seinem Gesicht erkennen konnte, war mit Narben übersät. Selbst über sein rechtes Auge reichte eine lange, braune Narbe und ließ sein Lid etwas nach unten hängen. Die Nase war nicht groß, aber so klobig, dass sie einem runden, unebenen Kloß glich. Aber sein Mund war freundlich, und ebenso das eine Auge, mit dem er durchaus einnehmend schauen konnte. Inga beschloss, ihn als einen angenehmen Zeitgenossen anzusehen, als einen, der ihr das Leben in den nächsten Tagen nicht schwermachen würde. Sie hoffte nur, dass auch seine Mannen anständig waren und sie sich allesamt auch dann noch manierlich verhielten, wenn sie zu tief in ihre Becher geschaut hatten. All das galt es abzuwarten.
    Gut war in jedem Fall, dass sie durch diese Gesandtschaft vielleicht die Möglichkeit besaß und wahrnehmen konnte, doch noch Kontakt zu den Mönchen aufzunehmen, ihr Anliegen vorzutragen und eventuell in Erfahrung zu bringen, was
mit Bruder Agius geschehen war. Ja, vielleicht ließ sich sogar ein Zusammentreffen mit ihrem liebsten Mönch, mit dem guten Bruder Melchior, arrangieren.
     
    Am dritten Abend nach der Ankunft der Franken war es dann so weit. Inga hatte den Mannen ein herrliches Mahl bereitet. Tatsächlich hatte sich Ottmar gegen Zahlung eines nicht geringen Aufpreises dazu überreden lassen, zwar keinen Ochsen, aber dafür eines seiner schmächtigen Schweine zu schlachten. Und dieses Schwein drehte sich nun, dünn und mickrig, aber dafür wohlduftend am Spieße in der Taverne und verbreitete zum ersten Male seit Ingas Ankunft einen angenehmen Duft im Hause. Inga

Weitere Kostenlose Bücher