Die Schluesseltraegerin - Roman
hatte außerdem ein Püree aus getrockneten und wieder aufgeweichten Erbsen und Linsen gemacht und von der Witwe eines Freien namens Friedhelm sieben wahrlich köstliche, frische Zwiebelbrote backen lassen. Denn sie selbst verfügte in dieser nur schlecht ausgestatteten Schänke über kein Ofenrohr.
Die Herren schlugen sich allesamt genüsslich den Magen voll, tranken Met und Bier – frisch gekühlt, denn dazu musste man die Fässer nur in den Hof stellen – und waren alsbald in einer redseligen und dazu glücklicherweise friedlichen Stimmung.
Inga, die lose Trudi und eine nicht weniger zweifelhafte Freundin der jungen Dirne waren die einzigen Frauen an diesem Abend. Abgesehen natürlich von der alten Mutter des Ottmar, die immer wieder laut aufschreiend in ihrem dunklen Lager verharrte, aber von niemandem wahrgenommen wurde. Während die beiden jungen Mädchen von mindestens sieben Männern umringt waren und man sie inmitten dieser Traube von Franken kaum mehr ausmachen konnte, sorgte Inga sich ausschließlich um das leibliche Wohl der Herren im rein kulinarischen Sinne.
Die eine oder andere schlüpfrige Bemerkung musste sie sich gefallen lassen, auch hin und wieder auf dem Schoß eines der Gäste Platz nehmen, man tätschelte ihre Wangen oder legte die Hände um ihre Hüften, aber mehr wagten die Franken nicht, denn Inga stand unter der Protektion ihres Anführers – des besagten Reitermannes Karlmann. Und zu diesem setzte sie sich später am Abend, als alle Krüge frisch gefüllt, Ottmar auf seinem Hocker eingedöst und Trudi samt Freundin mit immer wechselnden Männern im hinteren Teil der Taverne verschwunden waren.
»Was, Reiter Karlmann, ist eigentlich euer Auftrag? Warum seid ihr hierher in den fernen Flecken Huxori gereist?«, fragte sie scheinbar beiläufig, mit freundlicher Stimme, den bereits angetrunkenen Mann.
»Wir haben den Abt hierher gebracht. Das weißt du doch. Hast uns doch gesehen, als du mit nackten Beinen in der Pfütze standest. Schöne Beine hast du übrigens, Mädchen.«
Und mit diesen Worten wanderten seine großen, klobigen Hände über Ingas Schenkel. Sie platzierte schnell ihre eigene Hände auf den seinen, damit sie nicht in ungeahnte Höhen strebten, und setzte, diese einigermaßen harmlose Berührung zulassend, das Gespräch fort:
»Ein Abt, das ist doch im Grunde der Anführer der Mönche. Er sollte doch besser bei ihnen bleiben. Warum wird dann dieser wieder abreisen?«
»Nun, weil Wala nicht nur Abt dieses Klosters ist. Er wird noch an anderer Stelle gebraucht. Unter uns, kleine Sächsin, wenn du mich fragst, dann ist er der eigentliche Herrscher des ganzen Reiches.«
»Tatsächlich?«
»So ist es. Er teilt sich seine Aufgabe jedoch mit seiner ärgsten Feindin: der schönen Judith.«
»Das ist die Frau des Kaisers, nicht wahr? Ist sie wirklich so schön?«
»Das ist sie. Aber du bist sogar noch schöner. Würde man dich in Samt und Seide hüllen, dir das Haar mit Edelsteinen schmücken: Du wärst die Schönste im ganzen Reich.«
Inga lachte kurz verlegen, fuhr dann aber unbeeindruckt fort: »Und der Kaiser? Hat er denn gar nichts mehr zu sagen?«
Karlmann schüttelte den Kopf, dann sagte er leise, Inga tief in die Augen blickend: »Unter uns gesagt: Ich glaube, der ist nicht mehr ganz richtig hier oben.« Und mit diesen Worten tippte er sich mit einer Hand an die Stirn, um sie sogleich wieder auf Ingas Knie zu platzieren.
»Dann ist es ja ein mächtiges Kloster, dieses Kloster Corbeia, wenn sein Abt derjenige Mann ist, den man den heimlichen Herrscher des ganzen Reiches nennen kann.«
»So ist es. Du bist ein kluges Mädchen.«
»Was sind denn seine Absichten? Ich meine, die des Wala?«
»Dazu bin ich ein zu einfacher Mann, um dir das genau beantworten zu können. Aber eines ist sicher, er will die Kirche mächtiger machen als den Kaiser. Und dazu versucht er sich schon mit dem baldigen Nachfolger, dem ältesten Sohn Ludwigs, gutzutun. Doch dieser Lothar wird nicht Kaiser werden, das sage ich dir. Denn die schöne und ebenso verschlagene Judith hat ebenfalls einen Sohn geboren.«
»Ist sie etwa ein Friedel?«
»Nein, Friedelehen hatte nur der große Karl. Ludwig ist in dieser Hinsicht brav. Seine erste Frau Irmingard ist vor wenigen Jahren gestorben. Man hat danach ein Fest veranstaltet und die schönsten Mädchen von weit her zu diesem Feste eingeladen. Aus diesen Schönsten aller Schönen hat sich der trauernde Kaiser dann seine Judith auserwählt.
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