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Die Schluesseltraegerin - Roman

Die Schluesseltraegerin - Roman

Titel: Die Schluesseltraegerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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ein Kind, kleine Sächsin. Die Großen sind untereinander wahrlich zerstritten, aber in einem, da kannst du mir glauben, in einem sind und bleiben sie immer einig: Freie Bauern gehören nicht zu dem Bild eines einheitlichen Reiches. Sie passen da einfach nicht hinein. Ihr habt das Pech, reich, aber nicht edel zu sein. So was gibt es auch nur noch bei euch Sachsen. Und deinem Bruder lass gesagt sein: Sobald er ihnen auch nur einen winzigen Gemüsegarten vermacht, kann er damit rechnen, dass sie im folgenden Jahr über all seine Äcker und Wiesen verfügen. Da gibt es genügend Mittel und Wege.«
    Inga begann an ihrer Idee zu zweifeln. Wenn es stimmte, was der betrunkene Franke da sagte, war auf die Hilfe der Mönche nicht zu hoffen. Sie hätten Bero sicherlich als Meier des Hilgerhofes
angenommen. Das hätten sie gewiss getan, aber laut Karlmann wäre somit auch das Eigentum der Meinradschen und deren Freiheit in Gefahr geraten. Inga hatte es am Beispiel des Liudolf selbst erlebt: Er hatte ihnen Land geschenkt und im Gegenzug sogar noch mehr Land zur Verwaltung erhalten, aber letztendlich war nun seine gesamte Familie unfrei geworden.
    Ein dummer Schicksalsschlag genügte, eine abgebissene Zunge, ein Anfall von Fallsucht, der unerwartete Tod des Familienoberhauptes – und schon standen neue Erben vor der Türe: die Kirche. Inga verstand durchaus, dass es von Vorteil war, sich der Lehnshoheit des Klosters zu unterstellen, aber für einen freien Sachsen bedeutete es einen enormen Verlust, den Verlust der Ehre, des Stolzes. War es nicht sogar so, dass er das Recht einbüßte, Waffen zu tragen und über seine eigene Sippe zu richten? Ja, man verlor die Freiheit und erhielt stattdessen den Schutz der Mächtigen, war abgesichert gegen Hungersnöte und Missernten und bekam sogar weiteres Land, für das man lediglich, zusätzlich zum Kirchenzehnt, eine geringe Abgabe als Lehen zahlen musste.
    Das klang verlockend und vernünftig, aber Bero würde sich darauf niemals einlassen. Also war Ingas unblutiger Plan dahin.
    Um ihn dennoch zum Herrn vom Hilgerhof zu machen, blieb lediglich noch eine Lösung bestehen: Ansgar musste sterben. Bero würde ihn nach seiner Vermählung mit Gisela umbringen müssen.
    Und der junge Friedrich? Und Ada? Und die anderen Kinder?
    Inga schwirrte der Kopf. So viele unlösbare Aufgaben. So viele Hürden. Doch was ging das sie eigentlich an?
    Was hatte sie, Inga, damit zu tun?
    Konnte es ihr nicht vollkommen gleich sein?
    Musste sie denn zurück zu denen?
    Ja, sie hatte Bero auf die Idee gebracht, aber nun lag es an
ihm, diesen Einfall mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu verwirklichen. Besser für Inga war es allemal, hier in dieser Taverne zu bleiben und eines Tages den dicken Ottmar zu ehelichen.
    Wer wusste? Vielleicht gab es ja dabei sogar die eine oder andere Möglichkeit, Bierfässer ans Kloster zu liefern und dabei Agius zu begegnen.
    Was dort auf den Höfen der Meinradschen und der Hilgerschen geschah, sollte sie nichts mehr angehen. Das war zu viel für sie. Sollten sie sich doch allein miteinander herumschlagen.
    Inga stand auf und brachte Karlmann einen frischen Becher mit Met. Sie vergaß jedoch nicht, einige Tropfen ihrer geliebten Katzenkrautessenz unterzumischen – ein sicheres Mittel, den aufdringlichen Mann im Nu in einen wohligen und geruhsamen Schlaf zu versetzen.

XXXII
    D er Vater Abt hatte eine lange und beschwerliche Reise hinter sich. Den Winter und das Weihnachtsfest hatte er zwar in der Kaiserpfalz in Paderborn verbringen können, wo es einigermaßen trocken und wohlig warm geheizt war, aber von Paderborn aus bis zum Flecken Huxori, in dessen Nähe sich das aufstrebende und vielversprechende neue Kloster Corbeia Nova befand, war es doch ein langer, nasskalter, rutschiger und vor allem holpriger Weg. Drei Tage hatte es gedauert, bis die Reiter, Sänften und Pferdekarren sich über schlammige, unwegsame Pfade bis hierher gekämpft hatten.
    Doch die Mühen waren notwendig gewesen, denn bereits wenige Augenblicke nach seiner Ankunft hatte der Vater Abt sogleich feststellen können, dass in diesem für die Angelegenheiten des Reiches und vor allem der Reichskirche so wichtigen Hause vieles drunter- und drüberging. Prior Wulfram war mit den ihm anvertrauten Aufgaben sichtlich überfordert, es fehlte an Struktur, an Visionen, an Disziplin. Und der Einzige, dem er zugetraut hätte, in seiner Abwesenheit die Fäden erfolgreich in die Hand zu nehmen, dieser Einzige war

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