Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schluesseltraegerin - Roman

Die Schluesseltraegerin - Roman

Titel: Die Schluesseltraegerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
Vom Netzwerk:
Ansgar, wir beiden haben die letzte Überlebende der Familie beleidigt. Wir haben Ada betrogen. Und nun sitzen
wir hier. Es wäre ein Wunder, wenn sie nicht kämen, um uns zu erschrecken.«
    Ansgar versuchte zu lachen und ruhig zu wirken, aber ein wenig lasteten Ingas Worte doch auf seinem Gewissen. Er sah zu dem besagten Balken hoch und dann noch einmal zur Tür. Alles war unverdächtig und verlassen. Nichts in diesem modrigen, verfallenen Gebäude erweckte den Eindruck, dass Geister oder sonstige Gestalten hier ihr Unwesen trieben. Bemüht gleichgültig ging Ansgar umher und klopfte an jede Wand, schaute in alte Truhen, trat mit den Füßen Berge von letzten Lumpen beiseite. Nichts – keine aufgeschreckten Seelen, keine gruseligen Funde.
    »Es ist einfach nur ein altes Haus, das uns Schutz bietet. Und außerdem«, er setzte sich dicht neben Inga, »wann hatten wir jemals die Gelegenheit, so ungestört allein zu sein?«
     
    Am späten Abend kamen sie heim. Inga betrat das Haus als Erste und erntete sofort argwöhnische Blicke seitens der Zwillinge.
    »Wo sie wohl so lange gewesen ist?«, fragte Berta ihre Schwester.
    »Wer weiß, wer weiß«, antwortete Gisela.
    »Kräuter sammeln war ich. Und dann hat mich das Gewitter überrascht«, antwortete Inga schroff.
    Ada räumte gerade den Tisch ab und schaute sie nur kurz mit leerem Blick an. Inga sah zu Boden.
    »Kräuter sammeln nennt man das jetzt«, sagte Gisela hämisch.
    »Ja, Kräuter sammeln. Und wir alle wissen ja, dass du vom Kräutersammeln noch mehr Ahnung hast als ich. Recht vielseitig soll sie sogar sein, deine Kräutersammlung«, zischte Inga zurück und biss sich sofort auf die Lippen.
    Der alte Ulrich lachte laut, er hatte verstanden.

    In diesem Moment kam auch Ansgar ins Haus, und alle verstummten. Ihn fragte niemand, wo er gewesen sei, und er hielt es auch nicht für nötig, sich zu rechtfertigen.
    »Sind alle heil davongekommen? Niemand von Donars Hammer getroffen? Keine Schäden auf den Feldern? Bei den Tieren?«
    Die Knechte erstatteten ihm sogleich Bericht. Kein nennenswertes Unheil war geschehen, alle Tiere waren wohlauf, die Menschen hatten das Gewitter zum Glück rechtzeitig kommen sehen und alles Vieh sicher in den Stall gebracht. Einige Bäume schienen im Wald umgestürzt zu sein. Doch das Ausmaß des Schadens war noch nicht sicher, mehr als ein halbes Dutzend dürften es jedoch nicht gewesen sein.
    »Dumm nur, dass auch das Gras darniederliegt. Dieser verfluchte Bero, von der Heuernte hat er mich abgehalten. Und ihr seid allesamt ein nutzloser Haufen. Anstatt allein auf die Felder zu gehen, wartet ihr lieber faul und tatenlos, bis euer Herr wieder von seinem Krankenlager aufsteht. Prügeln sollte man euch, allesamt.«
    »Es kann sein, dass es sich sehr bald wieder aufrichtet, Herr. So wie es aussieht, kehrt der Sonnenschein zurück. Keine zwei Tage haben wir verloren.«
    Der junge Knecht versuchte zu beschwichtigen, doch Ansgar schüttelte den Kopf. Er ärgerte sich vielmehr über sich selbst. Unerfahren war er, aber nicht nur das, auch dumm. Alle würden reden und sagen: »Der neue Herr vom Hilgerhof, der Ansgar, ruiniert das Erbe seines Vaters. Abgeben wird er es noch müssen, dem Kloster überschreiben, weil er selbst nicht einmal einen Fuder Heu aus seinen reichen Landen einzufahren vermag.«
    Erneut schüttelte er den Kopf, um diese unangenehmen Gedanken zu vertreiben, dann fragte er im strengen Ton:

    »Wo steckt mein Bruder?«
    »Der ist noch nicht zurück«, antwortete der alte Ulrich. »Wird wohl gleich beim Teck geblieben sein, als das Unwetter losging.«
    »Na, hoffentlich.«
    Und mit diesen Worten begaben sie sich allesamt zur Nachtruhe.
     
    Tatsächlich schien die Sonne schon ab dem frühen Morgen heiß vom Himmel, und das Gras hatte sich wie von Geisterhand noch am selben Tag einigermaßen aufgerichtet. Und so ging es nun auf die Wiesen.
    Ansgar hatte schon im Morgengrauen den Wald in Augenschein genommen. Sieben Bäume waren gefallen, davon drei vom Blitz getroffen. Alle jedoch in brauchbarem Zustand.
    »Gernot soll sich darum kümmern, wenn er zurück ist«, befahl Ansgar während ihres einfachen Mittagsmahls, welches sie allesamt unter einer verwachsenen Eiche auf dem Feld einnahmen.
    Doch Gernot kam an diesem Tage nicht zurück.
    Sichtlich besorgt machten sich Ansgar und der junge Heinrich am frühen Abend auf die Suche. Sie ritten bis zum Hof des Halbfreien Teck, doch dort war Gernot niemals angekommen.
    Auf dem Rückweg

Weitere Kostenlose Bücher