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Die Schmerzmacherin.

Die Schmerzmacherin.

Titel: Die Schmerzmacherin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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wurde und immer fetter. So würde diese Person aussehen, wenn sie 20 wäre und das alles gegessen hätte, was zu sehen gewesen war. Dann 40. Dann alt. Das Mädchen sah dann aufgequollen aus und müde. Vor allem müde. Dann kamen Obst und Gemüse und rotes Fleisch, und das Mädchen würde mit 20 strahlend aussehen. Jung. Schlank. Begehrenswert.
    Sie wartete auf den Namen. Sie hatte sich Denning genannt. Sie hatte auf den Schein Emily Denning geschrieben. Und dass sie seine Ehefrau wäre. Der Mann hatte sie fragend angeschaut. Dann hatte er auf den Zettel geschaut und mit den Achseln gezuckt. Sie hatte gefürchtet, er würde einen Ausweis verlangen. Die Heiratsurkunde. Ihren Pass. Sie hatte sich beherrscht. Sie war so von Empörung und Angst erfüllt, dass sie sich vor nichts fürchtete und jede Lüge zustande gebracht hätte. Aber es wurde ihr nichts abverlangt. Sie solle warten, hatte der Mann nur gesagt. Ihr Name würde auf dem Bildschirm erscheinen. Dann könne sie in den 2. Stock. Dort würde ihr dann weitergeholfen. Und nein, er könne keine Auskunft geben.
    Es war Morgen. Samstagmorgen. Über dem Bildschirm war eine Leuchttafel mit dem Tag und dem Datum. Samstag, stand da. Das Wort Samstag hielt ihren Kopf von ihrem übrigen Körper fern. Das Wort Samstag da auf der Anzeigetafel schob sich in sie hinein, zwischen sie, und ihr Kopf schien ihr weit weg von sich zu sein. Sie fühlte aber auch nichts von sich im Körper, obwohl die Sorge um ihn sie zittern ließ. Seit Kurtchen sie aufgeweckt hatte. Sie hatte gedacht, er wolle sie vertreiben. Sie hatte sich auf der Bank im Speisesaal nur ausruhen wollen, und Kurtchen wollte sie vertreiben. Sie hatte begonnen, ihn anzuschreien, und dass er sie nicht berühren solle. Aber das Gesicht von ihm. Sie war sofort weggefahren. Sie war in ihr Zimmer gerast, den Autoschlüssel holen. Da war er aber nicht, und einen Augenblick dieses Gefühl. Die Wut und die Verzweiflung. Es war nichts anderes da. Sie war zu der Wut und dieser Verzweiflung geworden. Sie war in diese Wut und Verzweiflung verwandelt, und gerade in dem Augenblick, in dem sie dachte, sie müsse zerplatzen. Sich auflösen. Kleine Spritzer von Wut und Verzweiflung in alle Richtungen sprengend, und sie nicht mehr vorhanden.
    Der Autoschlüssel war im Auto gewesen. Steckte da, und sie musste sich nur hineinsetzen und losfahren. Ohne Mantel. Die Windschutzscheibe vereist und undurchsichtig, und die Heizung bis lange nach Kötzting gebraucht hatte, das Eis wegzuschmelzen. Sie hatte Antifrostmittel aufgespritzt und einen Matsch auf dem Fenster gehabt. Aber so früh am Morgen war noch niemand auf der Straße gewesen, und die Schneewehen so hoch an den Straßenrändern. Sie war immer wieder in die Spur zurückgeschoben worden, wenn sie zu weit nach außen geriet. Das Krankenhaus dann angeschrieben. Tafeln. Kreiskrankenhaus. Chirurgische Abteilung. Kreiskrankenhaus in der Kreisstadt. Es hatte sich in ihrem Kopf gedreht. 5 Uhr am Morgen. Alles dunkel. Sie war durch immer gleiche schneebegrenzte Straßen, über immer gleiche Schneehügel gefahren. Nichts am Himmel zu sehen. Nur ihr Auto durch die Landschaft. Von den Schildern geführt. Durchgezogen von den Schildern. Die Schilder entlang nach Cham. Kurtchen hatte gerade begonnen, das Frühstücksbuffet herzurichten. Deshalb hatte er das Telefon gehört. Ihr handy.
    Sie griff in die Hosentaschen ihrer Adidashose. Nichts. Das handy war sonst immer da. Sie war immer erreichbar. Warum war sie nicht angerufen worden. Aber wo war das handy. Es wurde hell. 7 Uhr am Samstagmorgen. Das Licht in der Halle wurde aufgedreht. Die dritte Kerze auf dem Adventskranz brannte. Eine Glühbirne in der Form einer übergroßen Kerzenflamme. Der Adventskranz riesig. Er hing über der Wartezone. »Wartezone« stand auf einem Pfeil neben der verglasten Rezeption. Der Mann da. Er starrte auf einen Bildschirm. Sie hatte plötzlich das Gefühl. Eine Gewissheit. Sie musste nur schreien, und es ginge ihr besser. Sie würde mit dem Schreien diese Entfernung zwischen ihrem Kopf und dem Druck und Jagen in ihrer Brust schließen können. Dann wusste sie sofort, dass danach alles noch schlimmer sein würde. Man würde aufmerksam auf sie werden. Einer der Ärzte. Die Bilder der Ärzte hingen an der Wand vorne neben dem Lift. Sie konnte nur die kleinen Bildchen sehen und die Überschrift lesen. »Unser Ärzteteam« stand da. Ein Bild in der Mitte unter der Überschrift und dann drei nebeneinander und dann viele

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