Die Schmerzmacherin.
und sie hatte geweint. Cindy hatte Amy kommen gehört und versuchte, den Kopf in ihre Richtung zu drehen. Amy musste vor sie hintreten und weit nach hinten, damit Cindy den Kopf nicht heben musste. Sie starrte Cindy an.
Cindy hob den Kopf dann. Es sah unendlich mühselig aus. Cindy hatte geweint. Ihr Augen-Make-up war verschmiert und die Wimperntusche auf den Wangen eingetrocknet. Cindy versuchte, etwas zu sagen. Zu grinsen. Sie verzog den Mund. Musste es dann aber aufgeben und sank wieder in sich zusammen.
Amy stand vor Cindy. Cindy verletzt. Cindy hilflos. Eine Welle fürsorglicher Zärtlichkeit stieg in Amy auf. Sie wollte sich vor die Person hinknien und sie fragen, was denn mit ihr geschehen sei. Was sie machen könne. Sie wollte ausrufen, dass sie nicht wolle, dass so etwas geschehe. Mit niemandem. Aber mit Cindy schon gar nicht. Sie hätte sie einhüllen wollen und wegtragen. Wegschweben. Cindy retten. Aber ein eiserner Ring in der Brust hielt sie entfernt. Eine Lust wallte hoch. Darüber, dass Cindy geweint hatte. Sie hätte selbst weinen mögen, dass diese starke Person weinen hatte müssen, und dann gleich eine Befriedigung, dass die nun auch wusste, was es hieß, Schmerzen zu erleiden. Eine eisige Kälte ließ Amy gerade aufgerichtet. Ein eiserner Zwang, Abstand zu halten. Sich weitab zu halten. Nicht zu berühren. Und sie konnte nur fragen, was denn geschehen sei. Cindy hob ihre hängenden Schultern. Ließ sie aber gleich fallen, und bevor Cindy etwas sagen konnte, ging die Tür hinter Amy auf. Eine Krankenschwester kam heraus. Sie sei wohl die Ehefrau. Amy nickte. Cindy riss den Kopf hoch. Ein winziger Schmerzensschrei entrang sich ihr. Amy wandte sich ihr zu. Dann fiel die Tür hinter ihr zu, und Cindy war auf dem Gang geblieben.
Sie müsse sich diesen grünen Kittel anziehen und die Hände da desinfizieren, sagte die Frau. Über dem Behälter mit Desinfektionsmittel war ein Plakat mit schematischen Zeichnungen, wie man die Hände zu desinfizieren hatte. Am Ende war vorgeschrieben, das Desinfektionsgel mit kleinen kreisenden Bewegungen in den Handflächen zu verreiben. Amy drückte mit dem Hebel das grünliche Gel auf die Hand und folgte den Anweisungen. Die Krankenschwester hatte sich zu einer anderen an einen kleinen Tisch gesetzt. Sie tranken Kaffee. Die beiden Frauen deuteten ihr, den schmalen Gang hinunterzugehen.
Sie trat in einen großen dämmrigen Raum. An einem Schreibtisch links eine Krankenschwester in einer himmelblauen Uniform. Die anderen hatten blau und weiß gestreifte Kittel angehabt. Sie schrieb unter einer Schreibtischlampe. Im Dämmer sah das tief unten aus. Zwei Betten waren beleuchtet. Drei andere standen in der Dämmerung. Sie sah sich um. Ein Pfleger kam auf sie zu. »Denning.« fragte er. Sie nickte. Er ging voraus. Ganz links unten. Das eine beleuchtete Bett. Gino lag halbaufgerichtet. Die Arme in Gips. Die Beine. Der Kopf verbunden. Das Atemgerät. Ein dicker Schlauch im Mund. Mit grünem Klebeband festgeklebt. Das Gerät sog auf und zischte Luft aus. Der Herzmonitor fiepte. Regelmäßig. Das Blutdruckmessgerät pumpte sich auf. Entließ zischend die aufgepumpte Luft. Der Pfleger ging an die Seite. »Er freut sich, dass Sie da sind.« sagte der Mann. »Sein Blutdruck ist gestiegen.« Amy konnte nur starren. »Ich weiß ja nicht einmal, dass etwas passiert ist.« Der sachliche Ton kam ihr selber komisch vor. »Reden Sie mit ihm. Das tut ihm gut.« Der Mann stellte hinten etwas ein und ging nach vorne weg. Er ging ans andere Ende des Saals. Das Bett da. Eine sehr alte Frau lag da. Aus der Entfernung konnte sie nur ein kleines verschrumpeltes Gesichtchen sehen. Die Frau hob die Hand. Der Pfleger ging auf sie zu. Was sollte sie mit Gino besprechen. Was sollte sie sagen. Was hatte Gino gemacht. Warum war Cindy draußen. Und warum war Samstagmorgen.
»Das war gestern wieder die Hölle. Und ich habe das Abendessen versäumt. Der Kurtchen. Der hat mir dann noch ein Brot gemacht. Und eine Suppe. Eine von seinen selbstgemachten Tomatensuppen. Die, die er nur uns gibt. Weil die Gäste sowieso die ›Campbell’s‹ lieber haben und die ja auch billiger ist. Der Kurtchen. Der wollte mir ein Zwiebelbrot geben. Weil er gerade Gulasch angerührt hat. Aber ein Zwiebelbrot. Das könnte ich nicht essen. Du könntest das auch nicht. Oder. Könntest du ein Zwiebelbrot essen. Du weißt schon. Ein dunkles Brot. Nicht zu dünn. Und die heißen gerösteten Zwiebeln und dann salzen. Es ist
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