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Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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reihten sie sich in den pulsierenden Londoner Stadtverkehr ein.
    Das St. James Hospital verströmte jene sterile Kühle, die dem Besucher unwillkürlich ein Zwicken in der Magengrube versetzte, sobald man durch seine Türen trat. Schon immer hatte sich Diana gefragt, warum ein Ort, an dem Menschenleben begannen, gerettet wurden oder endeten, so unangenehm, so unheimlich sein musste.
    Auch die freundliche Schwester am Empfang, die sie bat, sich noch einmal vor der Intensivstation zu melden, änderte nichts daran. Das nach Desinfektionsmitteln riechende Gebäude machte den Eindruck, jeder lebenden Seele in ihm die Kraft aussaugen zu wollen.
    Nur zu gern hätte sie Mr Green gebeten, sie zu begleiten, doch der Butler hatte sich für eine halbe Stunde von ihr verabschiedet, um noch eine Besorgung zu machen. Immerhin hätte er nun einen Gast und ein Versprechen abgegeben, erklärte er Diana. »Ich warte unten im Foyer auf Sie, wenn ich wieder zurück bin.«
    Diana hatte ihn ziehen lassen und schritt nun zwischen emsigem Pflegepersonal in verschiedenfarbiger Dienstkleidung auf die große gläserne Flügeltür mit der Aufschrift Emergency Room zu. Bevor Diana sie erreicht hatte, schwang die Tür vor einem Patientenbett auf, das von zwei Pflegern auf den Gang geschoben wurde. Der weißhaarige Mann war zwischen den Kissen und Decken beinahe unsichtbar, an seinem Fußende arbeitete ein transportables Beatmungsgerät. Obwohl Diana die Pfleger grüßte, beachteten sie sie nicht, sondern unterhielten sich weiter über das Fußballspiel am Wochenende.
    Angesichts der offenen Tür und des leeren Ganges überlegte Diana, einfach hineinzuschlüpfen, doch etwas hielt sie zurück. Hinter einer dieser Türen ist sie, dachte sie mit pochendem Herzen und ziehendem Magen, während ihr Blick über die gekachelten Wände schweifte, die in regelmäßigen Abständen von Türen und dem Schwesterntresen unterbrochen wurden. Ob sie mich wohl wiedererkennt?
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    Erschrocken fuhr Diana herum. Über ihre Betrachtung hatte sie nicht mitbekommen, dass hinter ihr ein Arzt aufgetaucht war. Der schätzungsweise vierzig Jahre alte Mediziner sah aus wie ein Pakistani, sprach aber akzentfrei. An seinem Kittel steckte ein Schild, das ihn als Dr. Hunter auswies.
    »Ja, entschuldigen Sie, mein Name ist Diana Wagenbach, ich möchte zu Emmely Woodhouse, sie soll gestern eingeliefert worden sein.«
    »Sind Sie mit ihr verwandt?«, fragte der Arzt, worauf Dia­na nickte.
    »Kommen Sie mit.«
    Der Mediziner führte sie zum Schwesterntresen und gab einer rosa gekleideten Frau die Anweisung, Diana zu Zimmer neun zu führen.
    Die Schwester nickte, legte ihr Klemmbrett beiseite und kam dann zu ihr, während der Arzt den Gang hinaufeilte.
    »Sie sind die Enkelin?«, fragte sie, worauf Diana der Einfachheit halber nickte. Außerdem wusste sie nicht, ob sie noch als Angehörige galt oder die Schwester die komplizierten Verwicklungen ihrer Familiengeschichte verstehen würde.
    »Gut, folgen Sie mir.«
    Vorbei an Türen, hinter denen man das Piepen der Überwachungsgeräte hörte, schritten sie in den hinteren Teil des Ganges, in dem auch der Arzt verschwunden war. Vor einem Zimmer, dessen Tür verschlossen war, machten sie halt. Die Schwester öffnete einen kleinen Schrank neben der Ablage für die Patientenakte. Bevor Diana einen Blick darauf werfen konnte, drückte sie ihr ein hellblaues Bündel in die Hand.
    »Ziehen Sie das bitte über. Ihre Großmutter muss vor Keimen geschützt werden. Sie hat neben ihrem Schlaganfall auch eine Lungenentzündung entwickelt.«
    »So rasch?«, entgegnete Diana, der sofort Horrorgeschichten von Krankenhausbakterien durch den Sinn gingen.
    »Wahrscheinlich eine verschleppte Grippe. Als sie eingeliefert wurde, zeigte sie deutliche Symptome. Wäre der Schlaganfall nicht gewesen, wäre die Lungenentzündung wahrscheinlich nicht bemerkt worden.« Die Schwester klang verstimmt. Wärst du auch, wenn man dir unterschwellig vorwerfen würde, deine Arbeit nicht richtig zu machen, dachte Diana.
    »Wenn Sie fertig angezogen sind, desinfizieren Sie sich die Hände. Sollten Sie zwischendurch das Krankenzimmer verlassen, müssen Sie die ganze Prozedur bei der Rückkehr wiederholen.«
    Diana hatte nicht vor, das zu tun.
    »Sie dürfen eine halbe Stunde bleiben, aber nicht länger«, erklärte die Schwester ihr weiter, während sie versuchte, den dünnen blauen Überzieher hinter ihrem Rücken zu schließen, was sich als gar nicht

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