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Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Baumalleen gesäumt wurden, kämpfte Diana mit den Bildern in ihrem Kopf, die durch das sonore Brummen des Motors herbeigerufen wurden.
    Sie sah Emmely Anfang fünfzig, wie sie sich über ihr Kinderbett beugte und ihr liebevoll über das Haar strich. Ein paar Jahre später huschte sie geschäftig an ihr vorbei, während Dia­na am Küchentisch saß und zeichnete. Alle Ferien verbrachte sie in Tremayne House , weil es ihre Mutter, die mit achtzehn nach Deutschland gegangen war, immer wieder an den Ort zurückzog, an dem sie geboren worden war.
    Das Bild wechselte zu der über sechzigjährigen Emmely, die stolz und elegant gekleidet bei Dianas Konfirmation in der Kirche saß und von den anderen Gästen neugierig und bewundernd beäugt wurde. Mit weit über siebzig kam sie ein zweites Mal nach Berlin, um Diana zu ihrem bestandenen Diplom zu gratulieren. Da hatte man ihr noch nicht angesehen, dass die Zeit ihre Kraft allmählich auffraß.
    Bei Dianas letztem Besuch war sie bereits von einem Schlaganfall gezeichnet, hatte aber dennoch nicht den Mut verloren. Stolz hatte Diana ihr damals berichtet, dass sie zusammen mit ihrer Studienkollegin Eva eine eigene Anwaltskanzlei eröffnen würde. Nachdem ihr Vater bei einem Autounfall ums Leben gekommen war und ihre Mutter an einem Krebsleiden gestorben war, war es Emmely gewesen, die Diana zur Seite gestanden hatte. Als die Trauer sie zu überwältigen drohte, hatte Emmely sie nach Tremayne House eingeladen, wo ­Diana einen ganzen Sommer lang Zeit für sich gehabt hatte.
    Danach war Philipp in ihr Leben getreten, und in den kommenden Jahren waren er und das Büro der Grund gewesen, warum sie sich nur noch selten bei Emmely meldete und sich nicht mehr blicken ließ, was Diana jetzt zutiefst bereute. Sie war immer für mich da, dachte sie. Und ich habe sie im Stich gelassen.
    Trauer mischte sich mit dem Groll auf Philipp. Vielleicht wäre ich ohne ihn öfter hier gewesen …
    Doch Diana wusste nur zu gut, wenn nicht Philipp, wäre ein anderer Mann in ihr Leben getreten. Ein besserer vielleicht, doch wahrscheinlich hätte sie sich ebenfalls mehr um ihn gekümmert als um ihre Tante in England.
    »Wir sind gleich da, Madam«, verkündete Mr Green, als wollte er auf jeden Fall verhindern, dass sie den Anblick des Hauses verpasste.
    Von der kleinen Anhöhe, der sie sich näherten, konnte man beinahe das gesamte Anwesen überschauen, das aus dem eleganten zweistöckigen Herrenhaus, einem Nebengelass und einem Stalltrakt bestand.
    In der Nähe der Themse errichtet, sollte das Anwesen einst einem berüchtigten Adligen gehört haben, der in eine Verschwörung gegen Elisabeth I. verwickelt war. In seiner Nachbarschaft hatte angeblich der berüchtigte Spionagechef ­Elisabeths, Sir Francis Walsingham, gelebt. Im siebzehnten Jahrhundert hatte die Familie Tremayne den Besitz von Charles II., dem Restaurationskönig, erhalten. Seitdem hatten Nachfahren der Familie das Haus am Leben erhalten, und es war ihnen auch gelungen, kein Museum daraus machen zu lassen.
    Tremayne House wirkte an diesem trüben Spätnachmittag wie ein nasser Hund, der sich reumütig vor die Füße seines Herrn niederlässt und ihn mit großen Augen flehentlich ­ansieht. Von allen Erkern, dem Dach und den Regenrinnen fielen dicke Wassertropfen, der Abfluss neben der Treppe mühte sich vergeblich, die Fluten aufzufangen.
    Nachdem Mr Green den Bentley auf dem Rondell, das von einem Springbrunnen geschmückt wurde, zum Stehen gebracht hatte, griff er nach dem Schirm, den er im Fußraum des Fonds abgelegt hatte.
    »Warten Sie, Madam, ich bringe Sie zur Tür.«
    Ehe sie anmerken konnte, dass sie das kleine Stück zur Tür schaffen würde, ohne wie ein Zuckerwürfel aufzuweichen, war Mr Green mit dem aufgespannten Schirm schon neben ihr und öffnete ihr die Tür. Über der Schulter trug er ihre Tasche, die Diana beinahe schon wieder vergessen hatte.
    In der Halle überfiel Diana für einen Moment die Vorstellung, wie sie früher ausgesehen haben musste. Zu Zeiten von Grace und Victoria. Um diese Uhrzeit war gewiss eine Armee von Dienstmädchen unterwegs gewesen, um ihrer Herrschaft jeden Wunsch zu erfüllen. Hin und wieder wird der damalige Butler nach dem Rechten gesehen und nach den Wünschen seines Herrn gefragt haben, während in der ­Küche mit Töpfen und Geschirr geklappert wurde.
    Ein wenig von der früheren Betriebsamkeit schienen die Mauern aufgesogen und gespeichert zu haben. Warum sonst sollte ihr gerade jetzt all

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