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Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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sehen. »Meine Großmutter hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen deswegen.«
    Ihr Atem kam nun stoßweise, als würden sie die Worte furchtbar anstrengen.
    Am liebsten hätte Diana ihr geraten, erst einmal auszuruhen und es ihr später zu erzählen. Doch Emmely würde sich nicht davon abhalten lassen, zu tun, was immer sie wollte.
    »Ich kann dir leider nicht sagen, worum es genau ging. Ich hatte immer den Verdacht, dass meine Mutter etwas Genaueres wusste, doch sie hat mich nicht eingeweiht. Das Einzige, was Mum mir auf dem Sterbebett verraten hat, war, dass Grandma Victorias Geheimnis erst enthüllt werden sollte, wenn nur noch eine von uns übrig ist. Du bist der letzte Spross unserer Familie, denn ich hatte leider nie Kinder. Jetzt ist die Zeit gekommen.«
    Dianas Magen klumpte sich zusammen. Es stimmte, sie war die letzte. Die Nachkommenschaft der Tremaynes hatte sich in Grenzen gehalten – und war durchweg weiblich gewesen, so dass der ursprüngliche Name schon längst aus den Annalen verschwunden war.
    »Im alten Arbeitszimmer gibt es im mittleren Regal ein Geheimfach. Der Schlüssel war schon zu Zeiten meiner Mutter verschwunden, aber es sollte keine Mühe bereiten, einen anfertigen zu lassen. Nimm, was darin liegt, und mach das Beste daraus. Füge die Fäden der Geschichte zu einem Ganzen zusammen.«
    Schritte näherten sich dem Zimmer. Offenbar war ihre Zeit abgelaufen, und die Schwester kam nun, um sie daran zu erinnern.
    Emmely starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an. Aus ­ihrem linken Augenwinkel lief eine Träne. Eine Herzträne, wie ihre Mutter sie immer genannt hatte. »Versprich mir, dass du alles herausfinden und wieder zusammenfügen wirst. Grace und Victoria …«
    »Miss Wagenbach?«
    Die Schwester stand an der Tür, unerbittlich wie der Wächter eines Gefangenen.
    »Die halbe Stunde ist gleich vorbei. Verabschieden Sie sich bitte, wir wollen Ihre Großmutter gleich umlagern.«
    Diana nickte und wartete, bis sie wieder verschwunden war. Dann beugte sie sich erneut über Emmely und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Ich verspreche, ich werde alles wieder zusammenfügen.«
    Jetzt lächelte ihre Tante sie beruhigt an. »Du bist wirklich ein liebes Mädchen, das alles Glück der Welt verdient hat. Indem du unser Geheimnis löst, wirst du selbst Frieden finden, da bin ich sicher.«
    Schläfrig sank Emmely wieder in die Kissen.
    »Ich komme morgen wieder«, versprach Diana und strich noch einmal über ihr Haar. Ob ihre Tante die Worte gehört hatte, wusste sie nicht, denn als sie sich vom Bett entfernte, war Emmely bereits wieder eingeschlafen.
    Mr Green wartete wie versprochen in der Halle. Hastig wischte sich Diana die Tränen vom Gesicht, denen sie sich auf dem Weg hingegeben hatte. Ihre Wangen glühten zwar verräterisch, doch das war immerhin besser, als in Gegenwart eines anderen zu weinen, als wäre sie ein kleines Kind.
    »Ah, Mrs Wagenbach!« Mr Green faltete die Zeitung zusammen, mit der er sich die Zeit vertrieben hatte, und erhob sich. »Darf ich fragen, wie es Madam geht?«
    »Ich habe mit ihr gesprochen«, berichtete Diana tapfer. »Aber es geht ihr sehr schlecht. Die Schwester meinte, dass sie eine Lungenentzündung hinzubekommen hat, die sie seit Tagen mit sich herumschleppte.«
    »Das tut mir leid. Sofern Ihre Tante bereits krank war, hat sie es mich nicht bemerken lassen.« Mr Green wirkte zerknirscht. Als Butler hatte er zwar die Aufgabe, den Haushalt zu führen, aber das persönliche Befinden seiner Herrin ging ihn so lange nichts an, bis sie ihm etwas sagte oder er bemerkte, dass es ihr schlechtging. Emmely war schon immer eine Meisterin des Verbergens gewesen.
    »Ja, so ist sie.« Dianas kurzes Lachen klang eher wie ein Schluchzer.
    »Wie Sie sehen, zeigt sich England heute von seiner besten Seite, was die Luftfeuchtigkeit angeht«, bemerkte Mr Green ironisch, als er den Schirm elegant aus dem Ständer zog. Der Regen war zwar etwas schwächer geworden, aber noch immer war keinerlei Sonne in Sicht. »Möchten Sie unterwegs noch etwas essen, Madam?«
    »Nein, danke, es wäre gut, wenn wir gleich nach Hause fahren könnten.«
    Nach Hause. Erst als sie durch die Tür des Krankenhauses trat, fiel ihr auf, wie selbstverständlich sie diese Wendung in Verbindung mit Tremayne House verwendete. So als hätte es ihr Leben in Berlin nicht gegeben.

Während sich die dicht befahrenen Schnellstraßen allmählich in Landstraßen verwandelten, die von Wildrosensträuchern und

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