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Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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schätzten. Weil sie Richard Tremayne auch nach seinem Tod schätzten. Und weil ihre Kaste, der von den Göttern vorbestimmte Platz in ihrem Leben, ihnen außerhalb der Plantage ein Leben im Elend bescheren würde.
    »Verzeihen Sie, Sir, aber sind Sie mit meiner Arbeit nicht zufrieden?«, wandte sich Vikrama also an Henry, als sie sich zum täglichen Gespräch zusammenfanden. Noch war der neue Vormann nicht da, aber das würde sich sicher bald ändern.
    »Ganz im Gegenteil, mein Lieber, ich bin sehr zufrieden mit Ihnen. So zufrieden, dass ich beschlossen habe, Sie zu meinem Verwalter zu machen.«
    Vikrama starrte ihn überrascht an. »Aber Mr Cahill …«
    »Mr Cahill ist mein Advokat, und ich bin der Meinung, dass ihn dieses Amt auch vollständig ausfüllt. Ihre Talente sind meines Erachtens im Amt des Vormanns völlig verschwendet. Ich werde Mr Petersen Ihrem Kommando unterstellen; sollte er etwas tun, das Ihrer Erfahrung widerspricht, sind Sie befugt, ihm Weisungen zu erteilen.«
    Dennoch war Vikrama nicht ganz zufrieden. Er kannte die Arbeiterinnen und wusste sie zu motivieren, ohne die Peitsche zu gebrauchen. Ein Blick auf Petersen hatte ihm gesagt, dass sich das ändern würde, sobald er auf den Feldern herumgehen konnte.
    »Sie sehen so aus, als würde Ihnen meine Entscheidung nicht gefallen.«
    »Sie sind der Herr, Sir. Sie werden immer tun, was für die Plantage am besten ist.«
    Henry betrachtete ihn prüfend, dann nickte er. »Trinken Sie noch ein bisschen Tee, Mr Vikrama. Sie haben recht, unsere Plantage produziert wirklich erstklassige Qualität.«
    Schweigend kam Vikrama seinem Vorschlag nach, dann sagte er: »Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass die Frauen auf dem Teefeld singen?«
    Henry runzelte die Stirn. Wie kam er nur darauf?
    »Als wir uns die Plantage angesehen haben, war alles still.«
    »Das stimmt, denn die Frauen haben uns kommen sehen. Aber wenn Sie sich dem Teefeld nähern, ohne gesehen zu werden, können Sie ihren Gesängen lauschen.«
    »Das ist ja alles gut und schön, aber was hat das mit unserem Gespräch zu tun?«
    »Nichts, Sir, ich wollte Sie nur darauf hinweisen. Diese Gesänge sind sehr schön, sie zeigen, wie zufrieden die Pflückerinnen sind. Solange diese Gesänge über den Teepflanzungen schweben, wird Vannattupp u cci auch weiterhin so guten Tee produzieren, und Sie werden sich in aller Welt einen Namen machen.«
    Henry fand das Gesagte seltsam, ließ es sich aber nicht anmerken. Was mochte er damit meinen? Ein kluger Mann wie er sagte doch nicht einfach etwas so dahin …
    Auf einmal spürte er den Stachel des Misstrauens. Hatte dieser Bursche vor, seine Leute gegen ihn aufzuwiegeln, wenn er nicht tat, was er verlangte?
    Er blickte in das Gesicht seines Gegenübers, das unbewegt erschien, dennoch wurde er den Eindruck nicht los, dass es dahinter brodelte. Ich werde ihn im Auge behalten müssen, und zwar gründlich, sagte er sich.
    Als Henrys neue Arbeiter ihren Dienst antraten, änderte sich einiges auf der Plantage. Die Produktivität stieg – und auf den Teefeldern wurde es still. Die Frauen arbeiteten schneller als zuvor, sangen aber nicht mehr. Singen, das fand Mr Petersen, würde sie von der Arbeit abhalten.
    Henry Tremayne fiel die Veränderung nicht auf. Ohnehin hatte er Vikramas Worte verdrängt, und sein Verwalter war auch nicht mehr darauf eingegangen.
    Aber auch Vikrama veränderte sich. Er wurde stiller, in sich gekehrter. Er wusste, dass sich Petersen und seine Leute von einem Mischling nichts sagen lassen würden. Und dass Mr Tremayne auf ihrer Seite sein würde, sollte es zum Streit kommen.
    Er führte es darauf zurück, dass er Tremaynes Tochter an dem Ballabend begleitet hatte. Stockton hatte ihm sicher klargemacht, dass dies nicht schicklich war. Stockton, mit dem sich Master Richard zuletzt bis aufs Blut gestritten hatte und den Vikrama insgeheim für dessen Tod verantwortlich machte. Doch konnte er dergleichen gegenüber Mr Tremayne behaupten?
    Schließlich hielt er es für besser, zu schweigen – die Engländer hielten letztlich zusammen, das wusste er – und auch Tremaynes Töchtern so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen, obwohl es ihm schwerfallen würde, Grace zu meiden. Grace, die mit ihrer milchweißen Haut so anders war als andere Frauen. Noch nie hatte er für eine Frau innerhalb so kurzer Zeit so viel Sympathie empfunden.
    Aber zum Wohle seiner Leute zwang er sich, ihr auszu­weichen. Nicht, dass Tremayne einen falschen Eindruck

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