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Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Charakter und seine Gefühle zum Vorschein traten.
    Noch immer verschwand er beinahe jede Nacht im Gebüsch und tauchte nach Stunden wieder auf. Manchmal blickte er auf, und wenn er sie am Fenster entdeckte, lächelte er. Manchmal war er jedoch so tief in Gedanken, dass er nicht nach oben schaute und Grace dazu veranlasste, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, was er wohl dachte.
    Als die Stunden des Wachseins ihren Tribut forderten, schlief Grace morgens ein wenig länger.
    »Du tauchst ja gar nicht mehr im Unterricht auf«, wunderte sich Victoria eines Morgens, als sich Grace gerade träge aus dem Bett erhob. »Mr Norris vermisst dich schon. Und Vater wundert sich, warum du seit zwei Wochen das Frühstück lieber aufs Zimmer gebracht haben möchtest.«
    »Ich schaue mir das Leben auf der Plantage an«, entgegnete Grace ausweichend und hoffte, dass ihre Schwester ihr den wahren Grund ihrer einsamen Spaziergänge nicht ansah.
    »Und was machst du nachts, nachdem wir schlafen gegangen sind?«
    Ertappt schwieg Grace.
    »Ich habe neulich gesehen, dass du am Fenster gesessen und den Mond angestarrt hast. Du bist doch wohl kein Schlafwandler, oder?«
    »Ich … ich kann bei Mondschein nicht ordentlich schlafen«, entgegnete Grace und hoffte, dass Victoria ihr das abkaufte. Immerhin war es von ihrem Bett aus unmöglich zu sehen, was vor dem Fenster vor sich ging.
    »Ich habe auch gesehen, wie du vor dich hin lächelst, als hättest du gerade einen guten Gedanken«, setzte Victoria hinzu, beinahe erfreut, hinter ein Geheimnis ihrer großen Schwester gekommen zu sein. »Du wirst doch wohl nicht wie einer dieser Dichter, die Oden an den Mond schreiben. Oder wie dieser deutsche Maler, der immer nur Mondlandschaften malt.«
    »Du meinst Caspar David Friedrich? Nein, ich glaube nicht, dass ich je dessen Meisterschaft erringen werde.« Angesichts der unschuldigen Gedanken ihrer Schwester fühlte sich Grace nun wieder etwas sicherer. »Glaub mir, seit unserer Ankunft hier schrecke ich immer wieder zur gleichen Stunde aus dem Schlaf, und erst weit nach Mitternacht kann ich wieder einschlafen.«
    »Das klingt nicht normal«, stellte Victoria fest. »Du solltest das einem Arzt erzählen.«
    »Wir haben ja noch gar keinen Arzt, Dummerchen«, gab Grace zurück und strich ihr übers Haar. »Außerdem fühle ich mich vollkommen gesund. Es wird daran liegen, dass hier die Zeit im Gegensatz zu England verschoben ist. In einem von Vaters Journalen habe ich gelesen, dass hier die Sonne viele Stunden früher aufgeht als in unserer alten Heimat. Wahrscheinlich kann ich mich nur schlecht daran gewöhnen. Immerhin wird es hier auch früher Abend als bei uns.«
    Je länger sie redete, desto mehr gefiel ihr diese Erklärung. Nicht einmal Mr Norris könnte etwas dagegen einwenden.
    Tatsächlich sprach ihr Vater sie beim Abendessen auf den Umstand an. Als sie selbstsicher die Erklärung vortrug, blickte Henry beinahe vorwurfsvoll zu ihrer Mutter. »Unsere Tochter muss sich an die Umstände hier gewöhnen. Kann Miss Giles nichts tun?«
    »Was sollte sie gegen Schlaflosigkeit tun?«, fragte Claudia verblüfft zurück. »Ihr vielleicht Schlaflieder vorsingen?«
    Dann beugte sie sich lächelnd zu Grace. »Liebes, ich denke, fürs Erste können wir dich beim Frühstück entbehren. Aber du solltest wirklich daran arbeiten, deinen Zeitrhythmus wiederzufinden.«
    »Das werde ich«, versprach Grace ernst, war in Gedanken aber schon wieder bei ihrem Fenster und Vikrama, der sich in seinem seltsamen Aufzug in die Büsche schlug.
    Zu den Punkten, die Mr Stockton mit ihrem Vater während des Empfangs besprochen hatte, zählte auch das Anwerben englischer Arbeiter für die Plantage. Diese sollten bei Fuhrarbeiten eingesetzt werden und die Arbeit der Teepflückerinnen überwachen. Henry stellte einen zweiten Vormann ein, einen grobknochigen, blonden Mann namens Jeff Petersen, der früher einmal auf einer neuseeländischen Schaffarm gearbeitet hatte. Dessen auffälligstes Merkmal war neben einer großen Nase eine geflochtene Lederpeitsche, die er ständig bei sich trug. Obwohl er leise sprach, hatten seine Worte eine bedrohliche Kraft. Dies war kein Mann, der Ausfälle duldete. Wenn er erst einmal das Vertrauen seines Herrn gewonnen hatte, würde er mit harter Hand durchgreifen.
    Vikrama war darüber alles andere als erfreut. Schafe waren nicht Tee, und die Arbeiterinnen brauchten keinen Antreiber. Bisher gaben sie ihr Bestes, weil sie das Leben auf der Plantage

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