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Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Scheibe prasselte. Das monotone Geräusch lullte sie ein und ließ sie schließlich in die Tiefen des Schlafes sinken.

Vannattuppucci , 1887
    Graces Hoffnung, diesen unverschämten Mr Stockton nicht wiederzusehen, wurde schon am nächsten Morgen zerschmettert. Beim Frühstück, ganz unvermittelt zwischen Porridge mit Honig und braunem Zucker und den wunderbaren Küchlein, an die sich jetzt sogar ihre Mutter gewöhnt hatte, eröffnete ihr Vater seiner Familie: »Gestern hatte ich noch eine sehr nette Begegnung mit einem unserer Nachbarn. Sein Name ist Dean Stockton, ihm gehört die Plantage westlich von unserer. Er hatte sich extra auf den Weg gemacht, um mit mir zu sprechen, ist das nicht nett?«
    »Oh, wirklich sehr nett. Hattet ihr ein anregendes Gespräch?«
    »Sehr nett sogar. Ich glaube, die örtliche Mentalität muss auf ihn abgefärbt haben, denn er hat sich sogleich erboten, einige seiner Arbeiter zu schicken, damit sie beim Roden des Waldes helfen.«
    War das vor oder nach ihrem Zusammentreffen gewesen? Grace lief feuerrot an, dann blickte sie zu Victoria. Diese zog überrascht die Augenbrauen hoch.
    »Er sagte mir auch, dass er bereits das Vergnügen gehabt hätte, meine Töchter kennenzulernen«, setzte ihr Vater hinzu. »Davon habt ihr gar nichts erwähnt.«
    Grace räusperte sich. »Ich habe es nicht für wichtig erachtet. Er hätte Victoria um ein Haar über den Haufen geritten.«
    »Und sich nicht entschuldigt?«, fragte ihre Mutter.
    Als ob das das Wichtigste wäre, dachte Grace grimmig. Und was ist mit Victoria? Solltest du nicht eher fragen, ob ihr etwas zugestoßen ist?
    »Natürlich hat er sich entschuldigt, und wir haben die Entschuldigung auch angenommen«, gab Grace zurück und wandte sich dann wieder ihrem Teller zu.
    »Von dem Zusammenstoß hat er mir gar nichts erzählt. Alles in Ordnung mit dir, Victoria?«
    »Natürlich, Papa. Grace hat mich rechtzeitig aus seinem Weg gezogen. Und war danach stinksauer auf ihn, weil er mich hätte tottrampeln können.«
    Als Grace erleichtert zu ihrer Schwester blickte, zwinkerte diese ihr kurz zu.
    »Oh, wie mir scheint, haben wir eine Heldin in unserer ­Familie.«
    »Das war keine Heldentat, Papa!«, wehrte Grace ab. »Ich habe nur, wie es meine Pflicht ist, auf meine Schwester achtgegeben.«
    »Was hattet ihr eigentlich dort oben zu suchen?«, fragte Claudia, deren prüfender Blick zwischen ihren Töchtern hin und her wanderte.
    »Wir wollten uns ansehen, wie die Elefanten den Wald ­roden«, kam Victoria ihrer Schwester zuvor. »Das hattest du uns doch versprochen, Papa.«
    »Übrigens ist einer der Elefanten in einem ziemlich schlechten Zustand«, platzte es aus Grace heraus. Irgendwie hatte sie am Vorabend vergessen, das zur Sprache zu bringen. »Ich glaube, die Arbeiter misshandeln diese Tiere. Du solltest unbedingt etwas dagegen tun.«
    Ihr Vater sah sie daraufhin ein wenig merkwürdig an. Grace fiel selbst auf, dass sie patzig wirkte – was sie eigentlich gar nicht sein wollte. Wenn sie dem Elefanten helfen wollte, sollte sie freundlicher sein und nicht riskieren, dass ihr Vater seine Ohren vor ihrer Bitte verschloss.
    Doch der Gedanke allein, dass Stockton sie wieder so anstarren könnte, missfiel ihr zutiefst.
    »Ich werde mich um den Elefanten kümmern«, sagte Henry kühl, während er seine Tochter gründlich musterte. »Gibt es noch eine andere Ursache für deinen Groll?«
    Ja, Stockton, dachte Grace wütend. Doch sie sagte nur: »Ich schlafe ein wenig schlecht. Das muss die Luft hier sein.«
    »Daran wirst du dich gewöhnen müssen. Und an alles andere auch.«
    »Nun, es wäre nur höflich gewesen, wenn ihr Mr Stocktons Hilfe angenommen hättet«, lenkte Claudia das Gespräch nun wieder in die vorherige Richtung, denn sie fürchtete einen Eklat am Frühstückstisch.
    Hilfe?, dachte Grace spöttisch. Er hat meine Hand geküsst, auf vollkommen unschickliche Weise. Und seine Blicke schienen immer noch auf ihrer Haut zu kleben. Dabei war er mindestens zwanzig Jahre älter als sie!
    »Ich hielt es für besser, sie auszuschlagen. Immerhin habe ich da draußen die Verantwortung für Victoria.«
    Grace entging nicht, dass ihre Mutter und ihr Vater sich ansahen. Doch anstatt sie für ihren Ton zu rügen, stellte Henry seine Teetasse ab und sagte nur: »Das klingt alles nicht so, als wärst du mit Mr Stockton besonders warm geworden. Aber das wird sich hoffentlich bald ändern. Ich habe ihn eingeladen, heute Nachmittag mit uns Tee zu trinken.

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