Die-Schnaeppchenjaegerin
ich Sie noch eben warnen, Rebecca«, spricht er an mich gewandt weiter. »Ich kann diesem ganzen Finanzkram nie so recht folgen. Viel zu hoch für mich.« Er grinst mich breit an, und ich lächele schüchtern zurück.
»Noch zehn Sekunden«, ruft Zelda aus dem Off, und mein Magen zuckt schon wieder ängstlich zusammen. Über die Lautsprecher höre ich die Moming-Coffee-Musik, mit der die Werbepause beendet wird.
»Wer fängt an?«, fragt Emma und schielt auf den Teleprompter. »Ach, ich.«
Jetzt ist es so weit. Mir schwirrt der Kopf vor Angst. Ich weiß nicht, wo ich hingucken soll; ich weiß nicht, wann ich was sagen soll. Meine Beine zittern und meine Hände liegen ineinander verkrampft in meinem Schoß. Die Scheinwerfer blenden mich, von links fährt eine Kamera an mich heran, und ich muss versuchen, sie zu ignorieren.
»Da sind wir wieder!«, spricht Emma plötzlich in die Kamera. »Und jetzt stelle ich Ihnen eine sehr schwierige Frage, liebe Zuschauer: Wenn Sie die Wahl hätten zwischen einer Kaminuhr und 20 000 Pfund - wofür würden Sie sich entscheiden?«
Wie bitte?, denke ich entsetzt. Das ist doch mein Text! Das wollte ich doch sagen!
»Na, die Antwort liegt wohl auf der Hand«, redet Emma unbekümmert weiter. »Ich glaube, wir würden uns alle für die 20 000 Pfund entscheiden.«
»Ja, das glaube ich allerdings auch!«, pflichtet Rory ihr mit einem breiten Lächeln bei.
»Aber als Flagstaff Life vor wenigen Wochen seine Kunden anschrieb und ihnen vorschlug, den Anlagefonds zu wechseln«, sagt Emma, die plötzlich ein ganz ernstes Gesicht macht, »wurden diese nicht darauf aufmerksam gemacht, dass sie - sollten sie sich auf diesen Vorschlag einlassen - auf eine Gewinnauszahlung von 20 000 Pfund verzichten würden. Rebecca Bloomwood ist die Journalistin, die diesen Vorgang aufgedeckt hat. Ms. Bloomwood, glauben Sie, dass diese Art von Kundenbetrug häufiger vorkommt?«
Und mit einem Mal sind alle Augen auf mich gerichtet. Man wartet auf eine Antwort. Die Kamera ist voll auf mich gerichtet, im Studio herrscht absolute Stille.
2,5 Millionen Zuschauer.
Oh, Gott, ich bekomme keine Luft.
»Meinen Sie, dass Privatanleger insgesamt vorsichtiger sein sollten?«, versucht Emma, mir auf die Sprünge zu helfen.
»Ja«, bringe ich endlich hervor. Meine Stimme ist mir ganz fremd. »Ja, das meine ich.«
»Luke Brandon, Sie sind hier für Flagstaff Life«, sagt Emma und wendet sich ihm zu. »Glauben Sie -«
Mist, denke ich traurig. Das war wohl etwas dünn. Was ist denn bloß mit meiner Stimme los, Herrgott noch mal! Was ist mit all meinen zurechtgelegten Antworten?
Jetzt höre ich nicht einmal zu, was Luke Brandon antwortet. Komm schon, Rebecca. Sammel dich. Konzentrier dich.
»Sie dürfen nicht vergessen«, säuselt Luke, »dass niemand in irgendeiner Weise ein Anrecht auf eine Gewinnauszahlung hat. Es handelt sich daher in diesem Fall keineswegs um Kundenbetrug.« Er lächelt Emma an. »Hier geht es vielmehr um eine Hand voll Kleinanleger, die gieriger waren, als ihnen gut getan hat. Diese Leute glauben, dass sie zu kurz gekommen sind, und haben darum eine Negativkampagne gegen Flagstaff gestartet. Dieser Hand voll Leute stehen aber Tausende von Anlegern gegenüber, die sehr wohl von Flagstaff Life profitiert haben.«
Wie bitte? Was hat er da gerade gesagt?
»Verstehe.« Emma nickt. »Würden Sie also übereinstimmen, wenn ich sage -«
»Einen Moment!«, höre ich mich Emma unterbrechen. »Einen... kleinen Moment, bitte. Mr. Brandon - haben Sie gerade die Anleger gierig genannt?«
»Nicht alle«, sagt Luke. »Aber einige davon, ja.«
Ungläubig starre ich ihn an. Mir wird ganz heiß vor Empörung. Vor meinem geistigen Auge tauchen Janice und Martin auf - die liebsten und ungierigsten Menschen der Welt -, und mir verschlägt es vor Wut für ein paar Sekunden die Sprache.
»Tatsache ist, dass die Mehrheit der Anleger in den letzten fünf Jahren Rekordrückzahlungen von Flagstaff Life erhalten haben«, klärt Luke Emma weiter auf. Emma nickt verständig. »Und genau das ist es, was für den kleinen Mann zählen sollte. Gute, gesicherte Anlagen. Keine unverhofften, vergänglichen Gewinne. Schließlich wurde Flagstaff Life ursprünglich gegründet, um -«
»Korrigieren Sie mich bitte, wenn ich mich irre, Mr. Brandon«, falle ich ihm gefasst ins Wort. »Korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre - aber so weit ich weiß, wurde Flagstaff Life seinerzeit als ein Unternehmen auf Gegenseitigkeit gegründet.
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