Die-Schnaeppchenjaegerin
mir und sieht mit seinem ganz speziellen, merkwürdig durchdringenden Blick zu mir herab.
»Hier hätte ich Sie ja nun gar nicht erwartet«, sagt er. »Interessieren Sie sich etwa für einen Job in der City?«
Was soll das denn bitte heißen? Meint er etwa, ich sei zu blöd dazu?
»Wissen Sie«, sage ich überheblich, »ich spiele mit dem Gedanken, umzusatteln. Ich könnte mir gut vorstellen, bei einer ausländischen Bank zu arbeiten. Oder mich als Futures-Brokerin zu versuchen.«
»Wirklich?«, sagt er. »Wie schade.«
Schade? Was soll das denn nun wieder heißen? Warum ist das schade? Ich blicke zu ihm auf, sehe ihm direkt in seine dunklen Augen und verspüre ein ganz leichtes Flattern in der Magengrube. Völlig unvermittelt fallen mir Cläres Worte wieder ein: Luke Brandon hat mich neulich gefragt, ob du einen Freund hast.
»Und...«Ich muss mich räuspern. »Und was machen Sie hier?«
»Ach, ich lasse mir hier ziemlich oft Mitarbeiter vermitteln«, sagt er. »William Green ist unglaublich effizient. Seelenlos, aber effizient.« Er zuckt mit den Schultern, dann fällt sein Blick auf meine glänzende Aktentasche. »Haben sie schon was für Sie gefunden?«
»Ich... Mir bieten sich verschiedene Alternativen«, sage ich. »Ich muss mir jetzt meinen nächsten Schritt überlegen.«
Und der soll mich, ehrlich gesagt, auf direktem Weg zur Tür hinaus führen.
»Verstehe«, sagt er und schweigt dann kurz. »Haben Sie sich heute frei genommen, um hierher zu kommen?«
»Ja«, sage ich. »Natürlich.«
Was denkt er denn? Dass ich mich unter dem Vorwand, zu einer Pressekonferenz zu gehen, nur eben für zwei Stunden aus der Redaktion geschlichen habe?
Hey, die Idee ist gar nicht schlecht. Muss ich mir merken fürs nächste Mal.
»Und - was machen Sie jetzt?«, fragt er.
Jetzt bloß nicht »nichts« sagen! Sag niemals »nichts«!
»Na ja, ich habe so einigen Kleinkram zu erledigen«, sage ich. »Ein paar Leute anrufen, Termine wahrnehmen. Sie wissen schon.«
»Aha«, sagt er und nickt. »Ja. Na dann. Ich will Sie nicht aufhalten.« Er lässt den Blick durch das Foyer schweifen. »Viel Glück dann weiterhin mit Ihrem neuen Job.«
»Danke«, sage ich und schenke ihm ein geschäftsmäßiges Lächeln.
Da ist er auch schon weg. Er geht auf den Ausgang zu, während ich mit meiner klobigen Aktentasche in der Hand stehen bleibe und ein klein wenig enttäuscht bin. Ich warte ab, bis er verschwunden ist, schlendere dann selbst zum Ausgang und gehe hinaus auf die Straße. Dort bleibe ich stehen. Ehrlich gesagt, weiß ich nämlich überhaupt nicht, was ich jetzt machen soll. Ich war davon ausgegangen, dass ich den Rest des Tages damit verbringen würde, tausend Leute anzurufen und ihnen von meinem tollen neuen Job als Futures-Brokerin zu erzählen. Und stattdessen... Ach, was soll’s. Nicht drüber nachdenken.
Aber ich kann natürlich auch schlecht den ganzen Tag auf dem Gehsteig vor William Green herumstehen. Hinterher denken die Leute noch, ich wäre so eine Art Installationskunst oder so. Also setze ich mich in Bewegung und verlasse mich darauf, dass ich früher oder später über eine U-Bahn-Station stolpern werde. Dann kann ich mir immer noch überlegen, was ich machen möchte. Ich erreiche die nächste Straßenecke und bleibe stehen, um zu warten, bis ich zur anderen Seite hinüber kann, als ein Taxi neben mir hält.
»Ich weiß, dass Sie eine viel beschäftigte Geschäftsfrau sind und wenig Zeit haben«, erklingt Luke Brandons Stimme. Entsetzt sehe ich mich um. Luke Brandon hat sich aus dem Taxifenster gelehnt und lächelt mich aus seinen dunklen Augen an. »Aber hätten Sie nicht vielleicht doch ein halbes Stündchen übrig, um mit mir ein bisschen einkaufen zu gehen?«
Der heutige Tag ist unwirklich. Vollkommen und durch und durch unwirklich.
Ich steige ins Taxi, stelle meine klobige Aktentasche auf dem Boden ab und werfe Luke einen nervösen Blick zu. Ich bereue es jetzt schon. Was mache ich denn, wenn er mich irgendetwas über Zinssätze fragt? Oder wenn er über die Bundesbank oder das amerikanische Wirtschaftswachstum reden will? Aber vorerst weist er nur den Fahrer an: »Harrods, bitte.«
Als der Wagen wieder anfährt, kann ich nichts gegen das Lächeln tun, das sich auf meinem Gesicht breit macht. Wie cool. Ich dachte, ich würde jetzt nach Hause fahren und dort ganz allein in Selbstmitleid versinken - und stattdessen bin ich auf dem Weg zu Harrods, wo jemand anders bezahlen wird. Ich meine, besser
Weitere Kostenlose Bücher