Die Schnapsstadt
er ihr bot. Der Ermittler war zufrieden. Also ließ er nach ein paar weiteren kräftigen Schlägen die Hände sinken. Draußen vor der Tür hörte er Geräusche. Sehr vorsichtig fragte er:
«Du bist doch nicht mehr böse auf mich? Oder, junge Dame?»
Sie rührte sich nicht. Mit weit aufgerissenen Augen, offenem Mund und einem Gesichtsausdruck, der den Ermittler schaudern ließ, stand sie einfach wie eine bösartige Statue da. Langsam machte er sich auf den Weg zur Tür und versuchte dabei die ganze Zeit, die Wut in seinem Herzen zu verbergen und die Frau freundlich zu stimmen. «Sei nicht böse, bitte sei nicht böse! Ich habe schon immer ein Schandmaul gehabt. Mein Mund ist so dreckig wie mein Arschloch. Mein Mundwerk hat mich schon immer in Schwierigkeiten gebracht, und anscheinend kann ich nichts dagegen tun.» Jetzt stand er mit dem Rücken zur Tür. «Das hast du nicht verdient, und ich bitte von ganzem Herzen um Entschuldigung.» Er presste den Hintern gegen die Tür, die laut quietschte. «Ich bin das Letzte vom Letzten, eine widerliche Kreatur, das meine ich ernst», murmelte er.
In seinem Rücken spürte er eine frische Brise. Er warf ihr einen letzten Blick zu, quetschte sich durch die schmale Öffnung und ließ die Tür hinter sich zufallen. Jetzt, wo sie hinter der Tür stand, rannte er, ohne nachzudenken, auf das andere Ende des Korridors zu. Doch auf halbem Weg kam ihn ein elegant gekleideter kleiner Mann entgegen, der hinter einer winzigen Kellnerin herlief. Er nahm einen Anlauf und sprang über die Köpfe der beiden Zwerge weg, ohne sich um die erschreckten Schreie der Kellnerin zu kümmern. Schließlich erreichte er das Ende des Korridors, bog um eine Ecke und stieß eine fettverschmierte Tür auf. Eine Blütenlese der verschiedensten Gerüche – süß, sauer, bitter, scharf, angebrannt – und eine Wolke von heißem Dampf empfingen ihn. Ein Trupp von kleinen Männern lief in dem dunstigen Raum zwischen einer Schar winziger Elfen hin und her, tauchte aus dem Nebel auf und verschwand wieder. Er sah, dass ein paar von ihnen tranchierten. Ein paar rupften Federn und Haare, wieder andere spülten Geschirr, und noch ein paar mischten diverse Zutaten. Auf den ersten Blick sah das alles chaotisch aus, aber bei näherem Hinsehen enthüllte sich dem Betrachter eine strenge Ordnung. Er stolperte über etwas und stellte fest, dass es sich um einen Haufen gefrorene Geschlechtsteile von Eselinnen handelte. Sofort fielen ihm Drache und Phönix glücklich vereint und das Festmahl ein, das aus einem ganzen Esel bestand. Einige von den kleinen Küchengehilfen ließen die Arbeit ruhen und sahen ihn neugierig an. Schnell verließ er rückwärts gehend die Küche, drehte sich um und rannte weiter, bis er eine Treppe entdeckte. Er hielt sich am Geländer fest und stieg hinab. Als er den herzzerreißenden Schrei einer Frau hörte, lief ihm der restliche Blaseninhalt das Hosenbein hinunter. Auf den Schrei folgte tödliche Stille, und ein trauriger Gedanke ging ihm durch den Kopf. Zum Teufel mit ihr! Ohne jede Rücksicht auf die festlich gekleideten Jungen und Mädchen, die fröhlich auf der mit rotem Marmor aus Laiyang ausgelegten Tanzfläche tanzten, ohne sich um die anregenden Rhythmen der Tanzmusik zu kümmern, stürzte er wie ein räudiger Hund, der nach Pisse stinkt, durch den Festsaal von Yichis Taverne, einem Lokal, das für seine ausschweifenden Orgien bekannt war.
Erst als er schnell wie der Wind durch eine schmale dunkle Gasse rannte, bemerkte er, dass die Zwillingszwerge am Eingang von seiner Erscheinung so überrascht und erschreckt waren, dass sie schrien wie am Spieß. Er lehnte sich an die Wand und schnappte nach Luft. Hinter sich sah er die hellen Lichter von Yichis Taverne. Eine Neonreklame über der Tür wechselte ständig die Farbe und ließ die vorübertreibenden Regentropfen erst rot, dann grün, dann gelb schimmern. Er merkte, dass er im kalten Regen einer Herbstnacht an eine kalte Wand gelehnt dastand. Nur eine Friedhofsmauer konnte so kalt sein, dachte er. Nach all dem Unheil, das Jiuguo und ihn schicksalhaft miteinander verband, konnte man wohl sagen, dass er heute Nacht den Fängen des Todes, wenn nicht der Höhle des Tigers, entkommen war. Im Wind wehten liebliche Weisen aus Yichis Taverne herüber und verhallten in der Nachtluft. Er lauschte der Musik. Schwerer Kummer ergriff sein Herz, und kalte Tränen des Selbstmitleids strömten aus seinen Augen. Einen Augenblick lang stellte er sich
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