Die Schnapsstadt
Dampfschiff, das die Fluten des Ozeans durchschneidet. Ein wildes Wonnegefühl ergriff ihn. Mehr als einmal war er sicher, dass es zu einem Zusammenstoß kommen musste, konnte sogar die Schreckensschreie aus den entgegenkommenden Fahrzeugen hören, aber jedes Mal wurde die Katastrophe im letzten Moment abgewendet. Mit einer Fehlertoleranz vom Umfang einer Nadelspitze lösten sich die Widerstände im letzten Augenblick in nichts auf, und der Weg war frei für ihn und sein gewaltiges Streitross. Vor ihm tauchte ein Fluss auf. Natürlich gab es keine Brücke. Das Wasser strömte brausend in eine tiefe Schlucht und schleuderte eiskalte weiße Schaumkronen in die Luft. Er riss den Lenker zurück, und das Motorrad stieg zum Himmel empor. Plötzlich fühlte er sich so leicht wie ein Blatt Papier. Starke Windstöße spielten mit ihm und knüllten ihn zusammen. Die gewaltigen glitzernden Sterne schienen so nah, als müsse er nur die Hand ausstrecken, um sie zu berühren. Bin ich auf dem Weg zum Himmel?, fragte er sich. Und wenn es so ist, bin ich zu einem Unsterblichen geworden? Er ahnte, dass etwas, das er immer für unglaublich schwer erreichbar gehalten hatte, plötzlich und mühelos vor ihm lag. Er sah zu, wie sich ein trudelndes Rad vom Motorrad löste. Dann noch eins und noch eins. Das Echo seiner Schreckensschreie hallte von Baumwipfel zu Baumwipfel wider wie ein leichter Wind. Er fiel zu Boden, und das radlose Motorrad blieb plump in einer Astgabel hängen und schreckte eine Horde Eichhörnchen auf. Sie begannen, an der Maschine zu knabbern, auf der er eben noch gesessen hatte. Er hätte nie geglaubt, dass Eichhörnchen so scharfe, kräftige Zähne haben, dass sie Metall durchbeißen konnten, als sei es nichts weiter als die Rinde eines faulenden Baums. Er schüttelte seine verkrampften Beine und stellte zu seiner Freude fest, dass er den Unfall unverletzt überstanden hatte. Er stand auf und sah sich benommen um. Um die Stämme der gewaltigen Bäume, die ihn umgaben, wanden sich die üppigen Ranken von Schlingpflanzen, an denen große Blüten wie purpurfarbene Papiersterne blühten. Von den Ranken hingen in dichten Trauben dicke, saftige grüne und rote Beeren wie Weintrauben. Sie waren von so vollendeter Form, als seien sie aus edelster Jade geschnitzt. Ihre durchscheinende Haut konnte den Saft kaum halten. Man hätte sich keine besseren Trauben vorstellen können. Dunkel erinnerte er sich, dass die Lastwagenfahrerin oder vielleicht auch ein namenloses anderes hübsches Mädchen ihm erzählt hatte, oben in den Bergen lebe ein weißhaariger alter Professor, der gemeinsam mit den Affen den besten Schnaps brenne, den die Welt je gesehen hatte. Seine Haut war glatter als die eines Filmsternchens aus Hollywood, seine Augen bezaubernder als die eines Engels, seine Lippen attraktiver als die geschminkten Lippen einer hinreißenden Königin … Dies Getränk war mehr als Schnaps, es war ein Produkt des Himmels, das Ergebnis einer göttlichen Eingebung. Helle Lichtsäulen zwischen den Zweigen erregten seine Aufmerksamkeit. Dort brauten weiße Nebel, und Affen sprangen umher. Einige von ihnen bleckten die Zähne und schnitten abscheuliche Grimassen, andere lausten ihre Gefährten und pflegten ihren Pelz. Ein großes, kräftiges Männchen, dessen buschige Augenbrauen es als Anführer auswiesen, pflückte ein Blatt von einem Baum, rollte es zusammen, führte es an die Lippen und pfiff zum Appell. Schnell sammelten sich alle Affen in komischer Nachahmung menschlicher Sitten in drei Reihen um ihren Führer und nahmen mehr oder weniger erfolgreich Haltung an. Großartig, dachte der Ermittler. Mit ihren krummen Beinen, der gebeugten Haltung und den vorn-übergeneigten Köpfen wirkte ihr militärischer Drill wie eine Parodie. Aber schließlich waren sie ja auch nur Affen, und da kann man nicht wählerisch sein. Menschen brauchen mindestens sechs Monate Drill, bis sie den Standard einer Ehrenkompanie erreicht haben, und das heißt, man muss ihnen die Beine zusammenbinden, ihnen Holzplanken in die Hosen schieben und sie nachts ohne Kopfkissen schlafen lassen. Nein, dachte er, ich kann es mir nicht leisten, wählerisch zu sein. Die aufgerichteten Stummelschwänze sahen aus wie Keulen. Die Zweige mit ihrer schweren Last an Früchten wurden von Bambusstäben gestützt, um sie vor dem Abbrechen zu schützen. Auch die Affen stützten sich auf Bambusstangen. Wenn Menschen alt werden, brauchen sie Bambusstangen als Spazierstöcke. In Peking
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