Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schnapsstadt

Die Schnapsstadt

Titel: Die Schnapsstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
Vom Netzwerk:
berührte, spürte er einen Schmerz im Finger wie den Stich eines Skorpions. Weißt du eigentlich, fragte er mit lauter Stimme, dass der Handel mit Feuerwaffen gesetzwidrig ist? Höhnisch grinsend antwortete der Händler: Glaubst du wirklich, dass ich ein Straßenhändler bin? Er steckte die Hand ins Hemd, zog den Büstenhalter heraus und schüttelte ihn aus. Die äußere Hülle löste sich, und ein Paar glänzende Handschellen amerikanischer Produktion aus Edelstahl wurde sichtbar. Unter dem erstaunten Blick des Ermittlers verwandelte sich der Straßenhändler in einen Polizeihauptmann mit buschigen Augenbrauen, großen Augen, einer Adlernase und braunen Bartstoppeln, wie man ihn überall auf der Welt finden kann. Er griff nach Ding Gou'ers Hand, und klick, klack! – ließ er die Handschellen über seinem und Dings Handgelenk einschnappen. Jetzt sind wir beide an den Handgelenken miteinander verbunden, und keiner von uns beiden kann entkommen. Es sei denn, du hättest die Kraft von neun Ochsen oder ein paar Tigern und könntest mich auf den Schultern wegtragen. Mit der Kraft der Verzweiflung hob Ding Gou'er den kräftigen Polizeihauptmann hoch und warf ihn über die Schulter, als sei er nicht schwerer als eine Papierpuppe. Inzwischen war der Schaum verdunstet und gab einen rostfreien, silbern glänzenden Revolver frei. Mühelos bückte er sich und hob die Waffe auf. Er spürte ihr Gewicht im Handgelenk und ihre Wärme in der Handfläche. Was für ein Revolver!, hörte er den Polizeihauptmann auf seiner Schulter seufzend sagen. Mit einem mächtigen Achselzucken schleuderte er den Mann in die Luft und gegen eine efeubedeckte Mauer. Die eng miteinander verflochtenen dicken und dünnen Ranken zeichneten Muster auf die Mauer. Das rote Herbstlaub dazwischen verlieh ihr eine beachtliche Schönheit. Er sah zu, wie der Polizeihauptmann langsam von der Mauer abprallte und genau vor seinen Füßen flach auf dem Rücken landete. Die Handschellen dehnten sich wie ein Gummiband, aber sie waren immer noch an den Handgelenken beider Männer befestigt. Das sind amerikanische Handschellen, sagte der Polizeihauptmann. Wenn du glaubst, du kommst los, vergiss es! Panik überfiel Ding Gou'er. Er presste die Mündung des Revolvers gegen das nahezu durchsichtig klare Metall und drückte ab. Der Rückstoß riss seinen Arm nach oben, und die Pistole sprang ihm beinah aus der Hand. Er blickte hinab. Nicht ein Kratzer auf den Handschellen. Er versuchte es noch einmal. Mit dem gleichen Erfolg! Mit seiner freien Hand zog der Polizeihauptmann ein Päckchen Zigaretten und ein Feuerzeug aus der Tasche. Die Zigaretten waren amerikanische, das Feuerzeug japanisch, beides erste Qualität. Ihr hier in Jiuguo habt einen ganz schön hohen Lebensstandard, scheint mir. Der Polizeihauptmann grinste höhnisch. In Zeiten wie diesen, sagte er, winkt den Kühnen der Schmaus und den Schüchternen der Hunger. Wenn die Geldscheine überall herumfliegen, ist die Frage nur noch, ob du ein Mann bist und sie einsammelst oder nicht. Wenn das wahr ist, sagte Ding Gou'er, muss es auch wahr sein, dass ihr hier in Jiuguo wirklich kleine Kinder kocht und esst. Kleine Kinder kochen und essen ist kein Kunststück, sagte der Polizeihauptmann. Hast du schon einmal eins gegessen?, fragte ihn Ding Gou'er. Erzähl mir bloß nicht, du hast es noch nie getan, antwortete der Polizeihauptmann. Was ich gegessen habe, war ein nachgemachter kleiner Junge aus verschiedenen Materialien, sagte Ding Gou'er. Woher weißt du, dass er nicht echt war?, fragte der Polizeihauptmann. Wie konnte die Staatsanwaltschaft nur einen Holzkopf wie dich zu uns schicken? Bruder, sagte Ding Gou'er, ich werde dich nicht belügen. In letzter Zeit bin ich unter den Einfluss einer Frau geraten. Ich weiß, sagte der Polizeihauptmann. Und du hast sie umgebracht. Das ist ein schweres Verbrechen. Das weiß ich, gab Ding Gou'er zu, und jetzt will ich nur noch in die Provinzhauptstadt zurückkehren, um meinen Sohn noch einmal zu sehen, bevor ich mich freiwillig stelle. Das ist ein vernünftiger Grund, sagte der Polizeihauptmann. Habt Mitleid mit den Eltern! Also gut, ich lass dich laufen. Er bückte sich und biss die Handschellen mit den Zähnen durch. Das harte Metall, das Ding Gou'ers Kugeln widerstanden hatte, teilte sich im Mund dieses Mannes wie weich gekochte Nudeln. Bruder, sagte der Polizeihauptmann, du wirst in der ganzen Stadt gesucht. Ich nehme ein großes Risiko auf mich, wenn ich dich laufen lasse. Aber

Weitere Kostenlose Bücher