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Die Schnapsstadt

Die Schnapsstadt

Titel: Die Schnapsstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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gibt es eine Straße namens Vordere Bambusstangengasse. Wenn es eine Vordere Bambusstangengasse gibt, muss es auch eine Hintere Bambusstangengasse geben. Wenn Straßen vorne und hinten Bambusstangen brauchen, was brauchen Affen? Sie haben sie nur hinten, und wenn sie auf Bäume klettern, kann jeder ihre leuchtend roten Hintern sehen. Nach einer Ansprache des Affenführers verließen sie die Formation und kletterten an den Schlingpflanzen hoch. Sie schaukelten an den Ranken hin und her und pflückten die roten und grünen Beeren, die so groß waren wie Tischtennisbälle. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, und bitterer Speichel sammelte sich in seinem Mund. Er griff nach den Trauben, aber sie hingen zu hoch für ihn. Inzwischen rutschten die Affen mit auf dem Kopf aufgetürmten Traubenbündeln an den Baumstämmen herunter und warfen die Beeren geräuschvoll in einen offenen Brunnen. Aus dem Brunnen stiegen, so lieblich wie eine schöne Frau, in dichten, klebrigen Schwaden Alkoholdünste auf. Er streckte den Hals aus, um in den Brunnen hinabzusehen, und sah die goldene Scheibe des Mondes, die sich in einem Bronzespiegel am Grunde des Brunnens zu spiegeln schien. Die Affen hingen in langen Reihen an den Armen von den Zweigen, genau wie man es in Märchenbüchern liest. All diese niedlichen, komischen, kleinen Affen mit ihren lustigen Gesichtern boten einen hinreißenden Anblick. Wenn er einen Fotoapparat dabeihätte, dachte er, würden die Aufnahmen die Welt der Bildreportage bis in die Grundfesten erschüttern und ihm einen renommierten internationalen Preis in der Höhe von 100000 US-Dollar einbringen, was in Volkswährung umgerechnet 600000 Yuan wären, eine Summe, von der er ein Leben lang gut essen und trinken könnte; und dann würde immer noch genug übrig bleiben, um seinen Sohn auf die Universität zu schicken und zu verheiraten. Der Junge hatte krumme, eingewachsene Zähne, und zwischen zwei Schneidezähnen klaffte eine Lücke, die ihn aussehen ließ wie ein blödes kleines Mädchen. Plötzlich fingen die Affen an, in den Brunnen zu springen. Das Spiegelbild des Mondes im Wasser zersprang in goldenen Spritzern, die plätschernd hochsprangen und wie Syruptropfen an den Brunnenwänden herabrannen. Auf den Steinen wuchsen Moos und eine rotgoldene Pilzart, die man das Kraut der Unsterblichkeit nennt. Ein Reiher mit rotem Kamm stürzte sich herab und pflückte einen Stängel vom Kraut der Unsterblichkeit, um dann mit gestreckten Beinen und weit entfalteten Flügeln in die helle Mondscheibe hineinzufliegen. Zweifellos war das Kraut als Geschenk für die Mondgöttin Chang'e gedacht, Herrin über einen Himmelskörper, den weicher goldener Sand bedeckt. Zwei amerikanische Astronauten haben Spuren in diesem Sand hinterlassen, die noch in einer halben Million Jahren zu sehen sein werden. Zwei Astronauten, zwei geistergleiche Wanderer. Der Widerschein der Sonne auf der Mondoberfläche ist zu hell, als dass menschliche Augen ihn ertragen könnten. Im Mondlicht erblickte er eine Gestalt mit golden leuchtendem Haar, glatt rasiert, aber in Lumpen gekleidet, mit einem Gesicht, das Zeugnis von vielen Kämpfen ablegte. In der einen Hand trug sie einen Eimer aus Eichenholz, in der anderen eine hölzerne Kelle. Die Gestalt schöpfte ein wenig Flüssigkeit aus dem Brunnen und goss sie langsam auf dem Boden aus, wo sie honigfarbene Bänder bildete, die schnell klebrig wie frisch vulkanisierter Gummi wurden. Die Flüssigkeit sah köstlich aus, und er konnte es kaum erwarten, sie zu probieren. Sind Sie der Professor von der Brauereihochschule in Jiuguo, fragte er, der, von dem es heißt, er sei nicht ganz richtig im Kopf? Ich bin der chinesische König Lear, antwortete die Gestalt, und stehe unter dem fesselnden Mond. König Lear stand im strömenden Regen und verfluchte Himmel und Erde. Ich aber stehe im Mondschein und singe das Lob der Menschheit. Irgendwann werden die alten Märchen wahr. Der Alkohol ist die größte Entdeckung der Menschheit. Ohne Alkohol gäbe es keine Bibel, keine ägyptischen Pyramiden, keine Große Mauer, keine Musik, keine Festungen, keine Sturmleitern, um die Festungen zu erstürmen, keine Kernfusion, keine Lachse im Ussuri und keine Fisch- und Vogelwanderungen. Schon der Embryo im Mutterleib kann den Geruch von Alkohol entdecken. Aus der schuppigen Haut eines Alligators kann man erstklassige Weinschläuche machen. Kung-Fu-Romane haben zum Fortschritt der Braukunst beigetragen. Was war der Grund

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