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Die Schnapsstadt

Die Schnapsstadt

Titel: Die Schnapsstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Angestellte schob ein fertig ausgefülltes Formular und ein Stempelkissen über den Tisch.
    «Ich kann nicht lesen, Genosse», sagte Yuanbao. «Was steht da?»
    «Es ist die schriftliche Version des Vertrags, den wir eben miteinander geschlossen haben», antwortete der Angestellte.
    Yuanbao setzte einen dicken roten Daumenabdruck an die Stelle, die der Angestellte ihm zeigte. Er fühlte sich erleichtert. Das, weswegen er hierher gekommen war, war erledigt.
    Eine Angestellte trat hinzu und nahm ihm Xiaobao ab. Der plärrte immer noch, aber die Frau drückte ihm den Hals zu, bis er aufhörte. Mit vornübergeneigtem Kopf sah Yuanbao zu, wie sie Xiaobao auszog und ihn schnell, aber gründlich von Kopf bis Fuß untersuchte. Sie schaute sogar in sein kleines Arschloch und schob die Vorhaut zurück, um seinen kleinen Pimmel zu kontrollieren.
    Sie klatschte in die Hände und rief dem Mann hinter dem Schreibtisch zu:
    «Handelsklasse eins!»
    Jin Yuanbao wäre vor Aufregung beinah geplatzt. Fast wären ihm die Tränen gekommen.
    Ein anderer Angestellter hob Xiaobao auf und setzte ihn auf eine Waage.
    «21 Pfund, 200 Gramm», sagte er leise.
    Ein Angestellter gab die Zahlen in eine kleine Registrierkasse ein, die leise knatternd einen Papierstreifen ausspuckte. Er winkte Yuanbao zu sich.
    «Der Tagespreis für Handelsklasse eins ist 100 Yuan das Pfund», erklärte er Yuanbao, der sich der Registrierkasse näherte. «21 Pfund und 200 Gramm macht zweitausendeinhundertundvierzig Yuan in der Währung der Volksrepublik.»
    Er übergab Jin Yuanbao einen Stapel Banknoten und den Kassenbon.
    «Zähl nach!», sagte er.
    Jin Yuanbao zitterte vor Aufregung so sehr, dass er es kaum schaffte, das Geld zu zählen. Sein Gehirn fühlte sich an wie Hirsebrei. Er klammerte sich an das Geld und fragte mit ängstlicher Stimme:
    «Ist das alles für mich?»
    Der Mann nickte.
    «Kann ich jetzt gehen?»
    Der Mann nickte.

DRITTES KAPITEL
     
I
     
    Der goldbraun gebratene kleine Junge saß mit gekreuzten Beinen von süß duftendem Öl bedeckt in der Mitte des silbernen Tabletts. Ein naives, verwirrtes Lächeln stand in seinem lieblichen Gesicht. Eine Girlande von grünen Blättern und leuchtend roten Rettichblüten umgab ihn. Der verblüffte Sonderermittler starrte auf den Jungen und bemühte sich, die Säfte herunterzuschlucken, die sein Magen in die Speiseröhre entsandte. Ein Paar helle Augen erwiderten seinen Blick. Aus dem Stupsnäschen des Jungen quoll Dampf, und die Lippen zitterten, als wolle er etwas sagen. Sein Lächeln, sein naiver Liebreiz ließen verschüttete Erinnerungen im Geist des Sonderermittlers aufsteigen. Dunkel ahnte er, dass er diesen Jungen vor nicht allzu langer Zeit irgendwo gesehen hatte. Er hörte fröhliches Gelächter. Der zierliche Mund des Jungen roch nach frischen Erdbeeren. Erzähl mir eine Geschichte, Papa. Lass mich in Ruhe, Kind. Die süß duftende Ehefrau hielt das Kind mit dem rosigen Gesicht im Arm. Plötzlich verzog sich ihr Lächeln, verwandelte sich in etwas Unheimliches. Ihre Wangen zuckten, als trage sie schwer an einem dunklen Geheimnis. Schweine! Er schlug mit der Faust auf den Tisch und stand wütend auf.
    Ein wissendes Lächeln spielte um Jin Gangzuans Mundwinkel. Der Bergwerksdirektor und der Parteisekretär grinsten schlau. Dem Ermittler war, als träume er. Er öffnete die Augen und sah sich um. Der Junge saß immer noch mit gekreuzten Beinen auf dem Tablett.
    «Nach Ihnen, Genosse Ding», sagte Jin Gangzuan.
    «Dies ist eine berühmte Spezialität der regionalen Küche», sagten der Parteisekretär und der Bergwerksdirektor. «Es heißt Der Storch bringt einen Sohn. Es ist für hohen Besuch und besondere Gäste reserviert. Sie werden es nicht so schnell vergessen. Es hat allgemein großes Lob geerntet und unserem Vaterland viele Devisen eingebracht, wenn wir es besonders wichtigen Gästen serviert haben. Ein solcher Gast sind auch Sie, Sonderermittler Ding.»
    «Nach Ihnen, Genosse Ding! Sonderermittler Ding Gou'er von der Oberstaatsanwaltschaft, probieren Sie bitte unser Der Storch bringt einen Sohn!» Der Parteisekretär und der Bergwerksdirektor schwenkten ihre Essstäbchen in der Luft und ermunterten ihren Gast, zuzugreifen.
    Der Junge roch so appetitanregend, dass niemand seinem Duft hätte widerstehen können. Das Wasser lief Ding Gou'er selbst dann noch im Munde zusammen, als er in seine Aktentasche griff und die kalte Mündung und den Griff seiner Pistole spürte. Die Mündung war rund,

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