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Die Schnapsstadt

Die Schnapsstadt

Titel: Die Schnapsstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Kinder standen stocksteif wie hölzerne Puppen da und starrten den kleinen Dämon an.
    «Schlagt zu! Schlagt zu! Schlagt alles kurz und klein! Worauf wartet ihr noch ?»
    Ein paar kleine Kinder gähnten.
    «Papa, ich bin müde. Ich will schlafen gehen …»
    Der kleine Dämon stürzte sich auf die gähnenden Jungen und fing an, sie zu treten und zu prügeln, bis sie schrien und kreischten. Ein etwas älterer, stärkerer Junge wehrte sich und verwundete den kleinen Dämon im Gesicht. Als der sein eigenes Blut fließen sah, schnappte er sich seinen Gegner und biss ihm so gewalttätig ins Ohr, dass er es zur Hälfte abbiss.
    In diesem Augenblick öffnete sich die Tür.
     
    Eine ältere Angestellte in blütenweißer Uniform trat durch die geöffnete Tür ins Zimmer. Es war keine leichte Aufgabe, aber schließlich schaffte sie es, den kleinen Dämon und den kleinen Jungen, der so laut weinte, dass er fast in Ohnmacht gefallen wäre, voneinander zu trennen. Der kleine Dämon spuckte Blut, und in seinen Augen strahlte ein grünes Licht. Aber er sagte kein Wort. Das abgebissene Ohr seines Gegners lag zuckend auf dem Boden. Als die Angestellte erst das Ohr und dann das Gesicht des kleinen Dämons ansah, erbleichte sie, schrie einmal kurz auf und stürzte dann aus dem Zimmer. Ihr Hintern schaukelte hin und her, die Absätze ihrer Schuhe trommelten auf den Boden.
    Der kleine Dämon kletterte auf die gusseiserne Weide und löschte alle Lampen. In der tiefen Dunkelheit erklang eine leise und ruhige Drohung:
    «Wenn hier einer Scheiße baut, beiße ich ihm das Ohr ab.»
    Dann ging er zu dem künstlichen Hügel und wusch sich am Wasserfall das Blut aus dem Gesicht.
    Draußen vor der Tür hörte man Schritte. Wahrscheinlich eine ganze Schar von Leuten, die das Zimmer stürmen wollten. Der kleine Dämon hob den Stein auf, mit dem er die Lampe zertrümmert hatte, und ging hinter der gusseisernen Weide in Wartestellung.
    Die Tür wurde aufgestoßen, und eine weiße Gestalt tastete sich im Dunkeln an den Wänden entlang. Der kleine Dämon konzentrierte sich auf die obere Hälfte der weißen Gestalt und warf. Die weiße Gestalt schrie vor Schmerz auf und geriet ins Wanken. Die Leute draußen vor der Tür rannten in panischem Schrecken davon. Der kleine Dämon ging zu der Gestalt hinüber, hob den Stein auf, zielte wieder und schlug mit aller Kraft zu. Die weiße Gestalt sank zu Boden.
    Wenig später drangen helle Lichtstrahlen durch die offene Tür, denen Menschen mit Taschenlampen folgten. Der kleine Dämon hüpfte flink in eine Zimmerecke, legte sich mit dem Gesicht nach unten auf den Boden und tat, als schliefe er.
    Dann ging das Licht an und ließ sieben oder acht kräftige Männer erkennen, die die verletzte Kindergärtnerin mit der weißen Uniform aufhoben. Auch den bewusstlosen Jungen mitsamt seinem abgetrennten Ohr hoben sie auf und trugen beide aus dem Zimmer. Jetzt war es Zeit, den Verantwortlichen für all diese Schandtaten zu finden.
    Der kleine Dämon lag laut schnarchend auf dem Boden. Als ihn einer der weiß gekleideten Männer am Nacken packte und hochhob, pendelten seine Arme und Beine in der Luft, und aus seinem Mund drangen klagende Schreie wie das Maunzen einer bemitleidenswerten kleinen Katze.
    Die Suche nach dem Schuldigen blieb erfolglos. Die Kinder waren von einem langen, mühsamen Tag erschöpft und schrecklich hungrig. Nach den einschüchternden Reden des kleinen Dämons konnten sie den Kopf kaum gerade halten, geschweige denn einen vernünftigen Gedanken fassen. Und so ging die Suche zu Ende, und die Kinder schliefen laut schnarchend ein.
    Die Männer in Weiß knipsten das Licht aus, schlossen die Tür ab und gingen. Im Dunkeln grinste der kleine Dämon hämisch.
    Früh am nächsten Morgen, noch vor Sonnenaufgang, stand der kleine Dämon in dem schwach beleuchteten Zimmer auf, zog die Rassel unter dem Hemd hervor und schüttelte sie, so kräftig er konnte. Der Krach riss die Kinder aus dem Schlaf.
    Sie kauerten sich hin, um ihr Geschäft zu verrichten, rollten sich dann wieder auf dem Boden zusammen und schliefen unter den zornigen Blicken des kleinen Dämons wieder ein.
    Als die Sonne endlich aufging, füllte rotes Licht den Raum. Inzwischen waren die Kinder wach und saßen weinend in dem ungewohnten Raum herum. Sie waren ausgehungert. Von den Aufregungen der vergangenen Nacht war kaum eine Spur in ihrem Kopf geblieben. Die ganze Energie, die ganze Zeit, die er darauf verwandt hatte, ihnen das Gefühl von

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