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Die Schnapsstadt

Die Schnapsstadt

Titel: Die Schnapsstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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wirklich gefährlicher Fleisch fressender Raubvogel. Sein dunkler Schatten fiel über die Kinder. Nervös starrte der kleine Dämon auf die tödlich zupackenden Klauen, als sich der Falke auf dem grünen Grasboden niederließ, sich wieder in die Luft erhob, mit seiner Beute spielte und ruhig auf den richtigen Augenblick wartete. Der Falke ist ein geduldiger Jäger. Und da die Initiative immer beim Angreifer liegt, darf die Wachsamkeit des Verteidigers keinen Moment nachlassen.
    Plötzlich stieß der Falke wie ein Blitz zu, und der kleine Dämon eilte tapfer ans hintere Ende seiner Hühnerschar, um den Falken zu schlagen, zu beißen und zu kratzen, bis er das gefangene Kind aus seinem Griff befreit hatte. Die übrigen Kinder schrien und lärmten auf ihrer Flucht vor dem Falken aufgeregt und ängstlich. Schnell warf sich der kleine Dämon zwischen den Jäger und seine Beute. Das böse Leuchten in seinen Augen siegte über den aggressiven Blick des erstaunten Falken.
    Der Falke griff wieder an, und der kleine Dämon nahm, von den anderen Kindern getrennt, den Kampf wieder auf. Seine Bewegungen waren zu geschickt und zu gezielt für ein Kleinkind. Ehe der Falke sich wehren konnte, saß ihm der kleine Dämon schon im Nacken, und plötzlich überfiel Todesangst den Falken. Ihm war, als habe sich eine riesige schwarze Spinne oder eine todbringende Fledermaus mit leuchtend roten Flügeln an seinem Hals festgesaugt. Verzweifelt schüttelte er den Kopf hin und her, um den Angreifer abzuschütteln. Aber es war zu spät. Der kleine Dämon hatte ihm die Fingernägel in die Augen gekrallt. Unerträglicher Schmerz ließ seinen Kampfgeist zum Erliegen kommen. Mit einem gequälten Aufschrei taumelte der Falke vorwärts und fiel wie ein gefällter Baum zu Boden.
    Der kleine Dämon sprang vom Kopf des Mannes. In seinem Gesicht stand ein Grinsen, das man nur als böse und brutal bezeichnen kann. Er ging auf die Kinder zu und sagte:
    «Kinder! Genossen! Ich habe dem Falken die Augen ausgekratzt. Er kann uns nicht mehr sehen. Kinder, jetzt werden wir mit ihm spielen.»
    Der blinde Falke wand sich am Boden. Mal bog sich sein Rücken wie eine kleine Brücke, mal schlängelte er sich wie ein Drache. Zwischen den Fingern, die er vors Gesicht geschlagen hatte, tröpfelten dunkle Blutströme wie sich windende schwarze Würmer hervor. Instinktiv kuschelten sich die Kinder aneinander. Der kleine Dämon warf einen aufmerksamen Blick über den Hof. Bis auf ein paar weiße Schmetterlinge, die über das Gras flatterten, war er leer. Aus einem Schornstein hinter der Mauer stieg schwarzer Rauch auf und ließ seinen schweren Geruch in die Nase des kleinen Dämons strömen. Inzwischen wurden die Schreie des Falken immer schriller und mitleiderregender. Der kleine Dämon drehte sich ein paar Mal um sich selbst, sprang wieder auf den Rücken des Falken und vergrub alle zehn Finger mit ihren spitzen Nägeln in seinem Hals. Sein Gesichtsausdruck war so schreckenerregend, dass es jeder Beschreibung spottet. Immer tiefer gruben sich seine Finger in den fetten Hals des Mannes. Fühlte es sich an, als stecke er seine Finger in heißen Sand oder in einen Eimer Schmalz? Schwer zu sagen. Genoss er den süßen Geschmack der Rache? Auch das ist schwer zu sagen. Du, lieber Leser, bist klüger als der Autor, eine Wahrheit, die der Erzähler unbefragt hinnimmt. Jedenfalls waren die Schreie des Falken, als der kleine Dämon seine Krallen endlich wieder einzog, kaum mehr zu hören. Blut sprang aus den Löchern in seinem Hals, als wohnten Krabben mit Schaum vor dem Mund darin. Der kleine Dämon streckte zehn Finger in die Luft und sagte ruhig:
    «Der Falke liegt im Todeskampf.»
    Die mutigeren Kinder scharten sich um ihn. Die anderen folgten ihnen schüchtern. Alle starrten auf den sterbenden Körper des Falken. Noch zuckte er und wand sich auf dem Boden. Aber seine Bewegungen wurden schwächer. Plötzlich öffnete sich der Mund des Falken wie zu einem letzten Aufschrei. Aber statt eines Schreis quoll nur Blut aus dem Mund und fiel plätschernd, klebrig und warm ins Gras. Der kleine Dämon hob eine Hand voll Schlamm auf und stopfte ihn dem Falken in den Mund. Ein grollendes Geräusch drang aus der Kehle des Falken. Dann ein Schauer von Blut und Schlamm.
    «Kinder», befahl der kleine Dämon, «erstickt ihn. Stopft dem Falken den Schnabel, lasst ihn ins Gras beißen, damit er uns nicht fressen kann.»
    Die Kinder folgten seinem Befehl. Einigkeit ist Stärke. Dutzende von

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