Die Schnapsstadt
Nüstern, sein Maul.
Jetzt griff die Frau, die dem Maultier das Beil in die Stirn geschlagen hatte, nach einem Messer mit blauem Heft, sprang auf den Körper des Tiers, griff nach einem Huf – ein kohlschwarzer Huf in einer lilienweißen Hand – und brachte einen kreisförmigen Schnitt genau an der Stelle an, wo der Huf am Gelenk saß. Noch zwei weitere Schnitte und der geschickte Druck einer lilienweißen Hand, und fast war der Maultierhuf vom Maultierbein getrennt. Nur noch eine dünne weiße Sehne hielt sie zusammen. Ein letzter Schnitt, und Huf und Bein trennten sich für immer. Eine lilienweiße Hand erhob sich in die Luft, und der Maultierhuf flog zu der anderen Frau in Weiß hinüber, die ihn mit geübter Hand auffing.
In ein paar Augenblicken waren auch die drei verbliebenen Hufe amputiert. Die Zuschauer waren von der unglaublichen Geschicklichkeit der Frau fasziniert. Niemand sprach, niemand hustete, niemand furzte. Wer hätte sich in Gegenwart dieser Kämpferin so etwas herausgenommen?
Ding Gou'ers Handflächen waren nass geschwitzt. Das Einzige, woran er denken konnte, war die taoistische Parabel von der wunderbaren Geschicklichkeit des Kochs Ding, der einen Ochsen schlachten konnte, ohne dass sein Messer schartig wurde.
Die Frau in Weiß zerrte so lange an dem Beil, bis sie es schließlich aus der Stirn des kleinen schwarzen Maultiers herausziehen konnte, das endlich seinen letzten Atemzug tat. Es lag mit dem Bauch nach oben da und streckte die Beine steif wie vier Maschinengewehrläufe in die vier Himmelsrichtungen.
Der Lastwagen hatte den gewundenen Schotterweg verlassen, der zur Zeche führte. Die himmelhohen Abraumhalden und die geisterhaften Kräne und Förderhaspeln waren hinter ihnen im Nebel verschwunden. Vom Bellen des Wachhunds, dem Rumpeln der Loren und dem Grollen unterirdischer Sprengungen war nichts mehr zu hören. Aber die vier Maschinengewehrbeine des Maultiers ragten weiterhin vor Ding Gou'ers Augen in die Luft und verdarben ihm die Stimmung. Auch die Lastwagenfahrerin bedrückte der Anblick des kleinen schwarzen Maultiers. Sie kommentierte jeden Kilometer schlechter Straße mit vulgären Flüchen. Als sie endlich auf der Landstraße zur Stadt waren, legte sie den höchsten Gang ein, öffnete das Ausstellfenster und trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Der Motor heulte auf und begann zu pfeifen wie die Kugeln der Faschisten. Die Bäume am Straßenrand flatterten im Fahrtwind, als habe eine gigantische Axt sie gefällt. Die Landschaft wurde zu einem vorbeirasenden Schachbrett. Der Tacho zeigte 80 km/h. Der Wind heulte, die Räder drehten sich in Schwindel erregendem Tempo. Alle paar Minuten stieß der Auspuff eine dunkle Rauchwolke aus. Ding Gou'er beobachtete die Fahrerin mit so viel Bewunderung, dass er allmählich die Maultierbeine vor dem grauen Himmel vergaß.
Kurz vor der Stadt schlug sich Wasserdampf aus dem überhitzten Kühler auf der Windschutzscheibe nieder. Die Frau mit dem alkalischen Boden hatte den Kühler in einen Heizkessel verwandelt. Unter einem Sturmwind obszöner Flüche ließ sie den Lastwagen an den Straßenrand rollen. Ding Gou'er stieg hinter ihr aus und sah mit einem leichten Anflug von «Ich hab's ja gleich gesagt» zu, wie sie die Motorhaube öffnete, damit der Motor an der frischen Luft abkühlen konnte. Die Hitze warf ihn beinah um. Was noch an Kühlwasser übrig war, sprudelte und zischte. Als sie einen Handschuh anzog und die Verschlusskappe des Kühlers öffnete, strahlte ihr Gesicht wie der Sonnenuntergang.
Sie zog einen Blecheimer unter dem Fahrgestell hervor. «Los!», befahl sie ärgerlich. «Hol Wasser!»
Ding Gou'er hatte weder Lust noch den Mut, ihr zu widersprechen. Er nahm den Eimer und wagte gerade noch, sie halb scherzend zu fragen: «Du wirst doch wohl nicht wegfahren, solange ich beim Wasserholen bin? Wenn man jemanden rettet, sollte man ihn ganz und gar retten; wenn man jemanden nach Hause bringt, sollte man ihn bis zur Haustür bringen.»
Wütend fragte sie zurück: «Verstehst du etwas von Physik? Wenn ich wegfahren könnte, hätte ich sicher nicht angehalten. Außerdem hast du meinen Eimer.»
Ding Gou'er schnitt ihr eine Fratze. Ihm war klar, dass seine harmlosen Scherzchen vielleicht ein kleines Mädchen zum Kichern bringen konnten, aber diese Furie wohl kaum beeindrucken würden. Dennoch schnitt er ihr eine Fratze.
«Spiel hier nicht den Idioten», schnaubte sie ihn an. «Hör auf, die Nase zu rümpfen und mich blöd
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