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Die Schnelligkeit der Schnecke

Die Schnelligkeit der Schnecke

Titel: Die Schnelligkeit der Schnecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Malvaldi
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folglich aufstehen musste, schloss Massimo die Zeitung.
    »Ich habe es gesehen und gefühlt«, sagte er im Aufstehen, während Tiziana sich ihres Froschmannanzuges entledigte und alles in einen kleinen Rucksack stopfte.
    »Mamma mia. Hör mal, ich geh mich nur schnell umziehen. Mit diesem luftdichten Katafalk am Leib hab ich geschwitzt wie sonst was. Danach kümmere ich mich um das Gebäck. Bleib ruhig sitzen und lies deine Zeitung zu Ende, wenn du willst.«
    »Schön wär’s«, sagte Massimo. »Ich muss ins Kommissariat.«
    »Ins Kommissariat?«
    »Tja. Fusco hat mich vor fünf Minuten angerufen.«
    »Und was will er?
    »Mir auf die Nerven gehen, das will er. Mehr weiß ich nicht, er wollte mir nichts sagen.«
    »Nett.«
    »Wie immer.«
    Massimo stieg von Neuem in die Regenmontur und blickte nach draußen. Das Kommissariat lag ein paar Hundert Meter entfernt, wenn man zu Fuß die Abkürzung durch das Pinienwäldchen nahm, oder drei Kilometer, wenn man mit dem Auto fuhr. Aber klar, komm schon. Im strömenden Regen durchs Wäldchen. Und los, Indiana Jones.
    Dass Massimo so wenig Lust verspürte, das Auto zu nehmen, lag hauptsächlich an dem neuen städtebaulichen Zuschnitt, mit dem das Referat für Verkehrsentwicklung der Gemeinde Pineta behauptet hatte, den Verkehr des Dorfes oder, um es mit den Worten des Referenten auszudrücken, des urbanen Agglomerates zu verbessern, auch wenn nicht klar war, in welcher Weise.
    Ungeachtet der Existenz eines Gehirns im Inneren des eigenen Hirnkastens, hatten die Verantwortlichen eine Reihe von absurden Veränderungen geplant und durchgeführt, ohne sich auch nur im Mindesten daran zu orientieren, dass ein Straßennetz dazu dienen sollte, Fahrzeuge zu befördern und nicht die kranken Phantasien von irgendwelchen Möchtegern-Le-Corbusiers mit dem Praxisverständnis eines Perlhuhns. Ebenso wenig wurde beachtet, dass das Funktionieren des Straßennetzes von Pineta das letzte der wenigen Probleme war, die das Städtchen beschäftigten. Pardon, das urbane Agglomerat. Zum Beispiel bestand eine der fundamentalen Verbesserungen, die dem Straßennetz Pinetas zuteilgeworden waren, in der sogenannten »Trassierung von 12 km Fahrradwegen in den Außenbereichen des urbanen Areals, quer und parallel verlaufend zum Viale dei Cardi, Weiterführung in Richtung des Lungomare und Anpassung der Beschilderung in Übereinstimmung mit den geltenden europäischen Normen für urbane Straßennetze für den Radverkehr«.
    In der Praxis waren die Bürgersteige der Straßen an der Strandpromenade und der Wege, die dort einmündeten, mit einem gelben, parallel zum Bordstein verlaufenden Strich und ein paar Schildern mit einem Männchen auf einem Fahrrad versehen worden, worauf das Ganze schamlos »Radweg« genannt wurde.
    Mithilfe dieses genialen Einfalls war es der Gemeinde gelungen, die Fördergelder der Europäischen Gemeinschaft einzusacken, die – systematisch die Phantasie und den Einfallsreichtum des bedürftigen italischen Genius unterschätzend – für den Bau von Radwegen eine Pauschale pro umgesetztem Kilometer vorsah. Die Tatsache, dass die gepflasterten Bürgersteige nicht gerade ideal fürs Radfahren waren, sowie die Existenz eines natürlichen und von der Bürgerschaft intensiv genutzten Radwegenetzes auf den Wegen, die sich kreuz und quer durch das wunderschöne Pinienwäldchen erstreckten, hatte die Gemeinde nicht im Geringsten in ihrem Vorhaben beirrt. Jedenfalls hatten die Einwohner Pinetas in aller Ruhe weiter ihre Wege benutzt, und die verfluchte Trasse Pineta-Roubaix dagegen wurde ausschließlich von Touristen genutzt und dadurch zum Schauplatz gelegentlicher Unfälle.
    Aus diesem und anderen Gründen war das Autofahren in Pineta zu einer Art Geschicklichkeitswettbewerb mit Hindernissen geworden, und Massimo versuchte es so weit möglich zu vermeiden. Somit hatte er sich also erneut in den Wachstuchsarkophag gehüllt und zu Fuß auf den Weg zum Kommissariat gemacht.
    Während Massimo mitten durch das Unwetter stapfte – der Regen war inzwischen so stark geworden, dass er durch den Regenmantel hindurch das feuchte Aufplatzen jedes einzelnen Regentropfens auf der Haut spürte –, dachte er darüber nach, aus welchem Grund Fusco ihn wohl einbestellt haben mochte. Und wie es ihm oft passierte, wenn er allein war, sprach er beim Denken mit lauter Stimme, und im Laufe dieses Gesprächs drifteten seine Gedanken immer weiter ab.
    »Also. Wenn Fusco mich um diese Uhrzeit anruft, muss es was

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