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Die Schnelligkeit der Schnecke

Die Schnelligkeit der Schnecke

Titel: Die Schnelligkeit der Schnecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Malvaldi
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zwei schöne Schwarzweißfotos, so in der Art von Mapplethorpe, falls du weißt, was ich meine. Eins hier, eins da, vielleicht zwei ein bisschen versetzt, damit es lebendiger wirkt und nicht so nach Fotoausstellung aussieht. Diese beiden Scheußlichkeiten, die da hängen, werfen wir am besten sofort weg, an das große Fenster machen wir einen Vorhang oder eine Jalousie, und dann ist es schon viel angenehmer. Wenn du magst, dann kaufe ich heute ein bisschen was ein, und morgen, wo ja Ruhetag ist, komme ich her und mache alles fertig. Was hältst du davon?«
    Zu Hilfe. Ich habe ein Monster entfesselt.
    Massimo ließ wieder den Blick über die Wände wandern, bis er schließlich dort angelangte, wo das ausgestellt war, was Tiziana »diese beiden Scheußlichkeiten« genannt hatte: eine gerahmte Zeitungsseite mit der Mannschaft von Grande Torino und der Überschrift »1942 – 1949: Nur das Schicksal besiegte sie« und eine Titelseite der Gazzetta dello Sport vom 5. Dezember 1993, die eine Rekordgewinnsumme beim Fußballtoto verkündete. Dank einer eindeutigen Übereinstimmung zwischen den Fußballergebnissen jenes Sonntags und denjenigen, die Massimo auf den Lottoschein geschrieben hatte, war er in den Besitz eines Teils jenes Superjackpots gekommen und hatte in der Folge die Mathematik zum Teufel gejagt, zusammen mit der Promotion und der Ungewissheit, und sich die Bar gekauft. Die ihm gehörte. Zumindest hatte er das am Anfang geglaubt. Erst war sie von den versprengten Resten des Battallons Morbegno gestürmt worden, und jetzt kam auch noch Tiziana, die ihm Malerpinsel zwischen die Speichen warf.
    »Was soll ich dazu sagen? Was weiß ich? Ich kann mir das nicht vorstellen.«
    »Aber gefällt es dir?«
    »Ach, Tiziana, ich hab dir doch gerade gesagt, dass ich es mir nicht vorstellen kann. Du kommst mir vor wie meine Großmutter, die mich fragte, wie mir die Suppe schmeckt, bevor ich überhaupt probiert hatte.«
    »Na gut. Lässt du mich machen?«
    Ein Moment des Zweifels. Wirklich, das Mädchen hatte nicht ganz unrecht. Warum nicht?
    In jenem Augenblick klingelte das Telefon, und Massimo ging dran.
    »BarLume, guten Tag.«
    »Pronto, spreche ich mit dem Café BarLume?«, fragte die automatische Stimme von Agente Galan.
    »Sicher, immer noch BarLume, genau wie eben. Warum haben Sie kein Vertrauen?«
    Kurze Pause.
    »Hier ist das Kommissariat Pineta. Dottor Fusco würde gern mit Ihnen sprechen. Ich verbinde Sie. Bitte bleiben Sie in der Leitung.«
    »Pronto, Signor Viviani? Störe ich?«
    Störe ich? Was geht hier vor? Fusco höflich? Also passen wir uns an, na los. Er verdient es.
    »Nein, Dottore Fusco, worum geht es denn?«
    »Ich möchte Sie um einen sehr großen Gefallen bitten. Aber vorher müssten Sie mir eine Sache bestätigen. Mir wurde gesagt, sie sprächen fließend Englisch. Stimmt das?«
    Ach, darum geht’s? Einen Augenblick sah Massimo sich an einem Tisch sitzen, zusammen mit einer Kinderausgabe von Fusco, im hellblauen Schulkittel, aber schon mit Schnauzbart, während er mit deutlicher Stimme sagte: »Lesson namber uan. Lissen end ripiet. Se buck is on se teibol, end se penzil is on se buck.« Er riss sich zusammen und antwortete: »Das stimmt.«
    »Gut. Könnten Sie zu mir ins Kommissariat kommen? Ich bräuchte Sie dringend hier. Sehen Sie, ich bitte Sie um einen Gefallen. Ich kann Sie nicht zwingen. Aber ...«
    »Machen Sie sich keine Sorgen, das ist kein Problem. Ich komme.«
    Zumindest hab ich dann was zu tun.
    Massimo legte auf und sah gleichzeitig Tizianas trauriges Gesicht, der klar geworden war, dass dieses Telefongespräch sie von der Architektin wieder in die Barfrau zurückverwandelte.
    »Soll ich hierbleiben?«, fragte sie mit einer Stimme, die den Tag wieder in Grau zu tauchen schien.
    »Nein, nicht nötig. Gleich ist ja das Altersheim da. Du kannst alles Aldo übergeben, bei dem Dreckwetter kommt wahrscheinlich sowieso niemand.«
    »Und? Kann ich machen, was ich dir vorgeschlagen habe?«, fragte sie wieder aufgemuntert.
    »Klar. Hör zu, ich geb dir freie Hand. Mach, was du für richtig hältst. Ich lege nur bei zwei Sachen mein Veto ein. Die Vorhänge oder Jalousien, was auch immer, verbiete ich dir. Manche halten diese Bar ja schon für ein Hospiz, da will ich vermeiden, dass sie es auch noch mit einem Freudenhaus verwechseln. Und diese beiden ›Scheußlichkeiten‹, wie du sie nennst, werden nicht angerührt.«
    »Dürfte ich sie gegebenenfalls woanders

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