Die Schnelligkeit der Schnecke
geschah.
Wenn er durch dieses potenzierte Chaos fuhr, hatte Massimo manchmal das Gefühl, die Stadtverwaltung habe gar kein Straßennetz bauen wollen, sondern eher eine Minigolf-Anlage. Die gelben, mit Katzenaugen verzierten Linien der Radwege steckten den Parcours ab. Fröhliche rot-weiße Plastikblöcke, die einen Kreisverkehr imitieren sollten, zwangen einen zu hirnlosen Überhol- und Bremsmanövern. Riesige Chausseen mündeten in enge mittelalterliche Sträßchen mit schmalen Torbögen, an deren Ende, wenn man Glück hatte, einen die einzige freie Parklücke erwartete, in die man endlich das Auto »einlochen« konnte. Trotz alledem war Massimo bester Dinge. Die Tatsache, dass er einen Teil seines freien Tages opfern musste, um herauszufinden, was auf Asaharas Computer war, wurmte ihn nicht im Mindesten. Im Gegenteil.
Am Vortag war der Computer von einem anderen Mitarbeiter Asaharas, Katsuo Komatsu, als der neue Laptop des Professors identifiziert worden, den er gerade erst vor ein paar Tagen erworben hatte. Nachdem er festgestellt hatte, dass der Rechner nicht hochlief, hatte Massimo Fusco die Gewaltlösung vorgeschlagen: das Gerät öffnen und die Festplatte über einen anderen Rechner direkt auslesen. Fusco hatte zugestimmt und Agente Turturro gefragt, ob das Kommissariat alles zur Verfügung hatte, was man dafür brauchte, um diese Operation durchzuführen. Turturro hatte erklärt, dass sie praktisch überhaupt nichts von dem hätten, was man dafür bräuchte, und dass er so etwas bei einem Laptop sowieso noch nie gemacht habe. An diesem Punkt, während Fusco den armen Turturro finster anschaute, als vermutete er, dass er selbst den Computer sabotiert hätte, hatte Massimo es gewagt, eine Lösung vorzuschlagen: »Ich kenne jemanden, der die Möglichkeiten hat, diese Festplatte auszulesen. Er ist Techniker an der Universität. Er ist sehr gut und diskret.«
»Ah«, sagte Fusco wenig begeistert.
»Wenn Sie eine andere Lösung haben ...«
»Nein, nein, wo denken Sie hin. Hier funktioniert ja alles nur über Beziehungen. Auf offiziellem Weg geht hier überhaupt nie etwas. Man muss immer nur bitten, bitten, bitten. Wir haben keine Computer, wir haben kein Auto, wir haben einen Dreck, haben wir. Na gut, lassen wir das besser. Wir machen es so, wie Sie es vorschlagen, Signor Viviani. Ich muss nur darauf bestehen, dass Agente Turturro dabei ist. Die ganze Ermittlung hat schon scheiße angefangen, aber ich muss wenigstens die grundlegendsten Verfahrensregeln einhalten.«
Und so hatte Massimo mit Agente Turturro verabredet, dass sie sich am nächsten Tag direkt in Pisa bei der vorerwähnten Person treffen würden. Weshalb Massimo sich jetzt in Pisa befand, anstatt mit Handtuch, Buch und belegtem Brötchen am Meer zu sein, drei Meter von der Wasserlinie entfernt, und in Ruhe zu baden.
Nachdem er den verschiedenen Fallen ausgewichen war, die das Straßenverkehrsamt auf dem Weg verteilt hatte, passierte Massimo den Ponte Solferino und parkte in der Via Fermi, um dann zu Fuß zur Via Risorgimento zu gehen, wo sich das Institut für Chemie und Industriechemie erhob, oder besser gesagt, gerade so noch aufrecht hielt: ein tristes Gebäude im streng faschistischen Stil, zu neu, um die Faszination der alten Fakultäten auszustrahlen und zu alt, um noch einigermaßen vernünftig zu funktionieren, und bei dessen Anblick von außen man sich unwillkürlich fragte, was das Ding eigentlich hier noch machte. Zum Glück jedoch hatte die Stadtverwaltung die greise Fakultät nicht allein gelassen: Auf der gegenüberliegenden Straßenseite leistete ihr die ebenfalls betagte Orthopädie-Abteilung des Ospedale Santa Chiara Gesellschaft und hielt ihr im täglichen Kampf gegen das Schöne und Moderne die Stange.
Am Eingang zum Institut erwartete ihn Agente Turturro, die Tasche mit dem Laptop in der Hand.
»Salve. Ein schöner Tag, was?«
»Ja, wirklich. Gehen wir rein?«
Massimo öffnete die Tür und trat ein, gefolgt von Turturro und empfangen von einem grauenvollen Gestank nach Müllcontainer in Salzlake, der ihm sofort den Magen umdrehte und ihn bis zur Loge des Concierge begleitete. Dieser schien nicht im Geringsten von dem Duft beeinträchtigt zu sein.
»Sie wünschen?«
»Guten Tag. Ich möchte zu Carlo Pittaluga.« Und bitte auch eine Toilette, wenn’s möglich ist. Weil ich mich in zwei Sekunden übergebe.
»Wen darf ich melden?«
»Massimo Viviani und ...« Massimo hielt inne, als er merkte, dass er nicht wusste,
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