Die Schnelligkeit der Schnecke
denn innerhalb eines Tages war das ganze Haus voller Bienen. Die waren überall, auch in der Klimaanlage, in den Schubladen und auch sonst überall, sozusagen. Es gibt Leute, die haben hier wochenlang die Toiletten nicht benutzt. Wie auch immer, hier sind die Gerüche meistens weniger stark«, sagte Carlo, während er vor einer gepanzerten Tür stehen blieb, die er mit einem Schlüssel öffnete. »Et voilà. Bitte, bitte, sucht euch was zum Sitzen.«
Massimo und Agente Turturro folgten Carlo und betraten den wahrscheinlich chaotischsten Raum Europas. Hinter einer Glastür brummte eine Hundertschaft Computer aller Arten und Größen und erfüllte die Luft mit einem dichten Hintergrundrauschen; Dutzende von bunten Kabeln verliefen mitten durch den halbdunklen Raum, auf dem Boden, an den Wänden und um die Tische herum, auf denen einige ausgeweidete Rechner lagen, zusammen mit Gegenständen, die einstmals ihre internen Bauteile gewesen sein mussten und überall verstreut waren.
»Also«, sagte Carlo, während er einen Lüfter von einem Schemel nahm und sich dann mutig auf denselben setzte. »Schießt los, schießt los. Ich mach hier ein bisschen Platz«, sagte er, während er mit einer Armbewegung einige sortierte Teile vom Tisch fegte, die direkt auf den Boden gefallen wären, hätte Turturro sie nicht noch im Fallen aufgefangen. »Danke. Legen Sie’s da unten hin, ist sowieso nur Müll. Gut, dann sehen wir doch mal, wie dieses Ding hier aufgeht.«
Carlo drehte den Computer um und fing an, mit einem Schraubenzieher den Boden abzulösen. Während er schraubte, fragte er Massimo: »Du hattest mir gesagt, dass dieses Ding hier einem Japaner gehört, stimmt’s?«
»Ja.«
»Komisch.«
»Warum komisch?«
»Weil die Japaner normalerweise winzige Laptops haben. Dreizehn Zoll. Zeug, das man mit einer Hand halten kann oder sogar noch kleiner. Das hier ist riesig. Na ja, besser so. So kann man besser arbeiten. Übrigens hab ich dieses Modell noch nie gesehen. Muss wohl einer sein, der extra zusammengebaut wurde. Siehst du, das ist kein einheitlicher Block.« Carlo steckte einen dicken Finger ins Innere des Laptops und benutzte ihn als Hebel, worauf ein Geräusch erklang, als sei etwas zerbrochen, und ein Block in der Größe einer Zigarettenschachtel aus einer Halterung sprang (übrigens eine sehr gute Maßeinheit, um technische Gegenstände zu erklären, von denen man nichts weiß außer den Maßen). »Oh, gut. Das, was sich hier gerade gelöst hat, ist die Festplatte. Jetzt stecken wir die mal an und übertragen alles auf Argo.«
»Wohin?«
»Auf Argo«, wiederholte Carlo und zeigte dabei auf das elektronische Monster, das hinter der Glastür brummte.
»Argo? Das heißt, das alles ist ein einziger Computer?«
»Nein, das sind viele Maschinen, die parallel arbeiten und von einem Hauptserver verwaltet werden, der die Prozesse steuert. Der Server arbeitet unter Mosix und steuert nur die Verteilung der betreffenden Rechner«, erklärte Carlo stolz, während er die Festplatte mit einem Kabel verband, das irgendwo aus der Bestie herausgekommen war, »während die Slave-Multiprozessoren die eigentlichen Rechenmaschinen sind. Jede arbeitet eigenständig an einem bestimmten Prozess. Man könnte sie natürlich auch alle parallel an einem einzelnen Prozess arbeiten lassen, aber das würde hinsichtlich des Redirectings ziemlich schwierig werden.«
»Ja klar ...«, sagte Turturro, als hätte er irgendetwas verstanden. »Aber wozu werden denn all diese Computer nun wirklich gebraucht?«
»Um Berechnungen anzustellen.«
»Die alle?«
»Das sind noch wenige«, erklärte Carlo. »Wisst ihr, chemische Berechnungen haben ziemlich beeindruckende Dimensionen. Eine dynamische Simulation, beziehungsweise die Optimierung und Berechnung der Komplexverbindungen eines Übergangsmetalls, braucht normalerweise Wochen. Auch wenn man das auf vier oder acht Rechner parallel schickt. Je mehr Prozessoren man benutzt, umso weniger Zeit braucht es. Aber egal, er ist beinahe fertig mit Kopieren. War nur sehr wenig Zeug drin. Kann das sein?«
»Ja«, sagte Turturro. »Der Computer war quasi neu.«
»Gut, gut. Dann gehen wir jetzt hoch, und ich zieh euch das alles irgendwohin. Habt ihr was dabei?«
Agente Turturro nickte und zog eine CD aus der Tasche. Carlo nahm sie vorsichtig zwischen die großen Finger und nickte, dann befreite er den Hocker von seiner Last und ging schweigend aus dem Zimmer, gefolgt von den Vertretern des Gesetzes und der
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