Die Schockwelle: Thriller (German Edition)
Schuss in Rikus Richtung ab. Riku warf sich zur Seite und schoss ebenfalls. Die Kugel schlug unmittelbar neben ihm in der Wand ein. Der Putz rieselte, und er konnte gerade noch sehen, wie der Schütze hinter einen alten Druckkessel stolperte.
Elina Aro und ihr Begleiter nutzten die Gelegenheit und schlüpften durch die Metalltür.
»Die Polizei umstellt das Gebäude«, rief Riku. »Geben Sie auf!«
Für einen Moment war es still. Dann tauchte der Mann hinter dem Druckkessel auf. Er zog ein Bein nach und kam wild feuernd auf Riku zu. Der stürzte sich zwischen den Fabrikschrott im fensterlosen Teil der Halle und kroch mit der Waffe in der Hand weiter, während um ihn herum die Kugeln einschlugen. Scharfe Metallteile und Glassplitter schürften ihm Arme und Beine auf.
Als er an der Hallenwand angekommen war, drehte er sich blitzschnell auf den Rücken, hob die Waffe und sah den Schützen näher kommen. Der Mann blieb stehen und streckte zitternd die Hand mit der Waffe aus. Deckung gab es keine mehr. Die Frage war, wer zuerst schoss.
Riku drückte ab.
Er hörte einen schweren Aufprall, rappelte sich auf und näherte sich mit vorgehaltener Waffe vorsichtig dem Mann, der auf dem Boden lag und röchelte. Riku kniete sich neben ihm hin und sah in ein schmerzverzerrtes Gesicht. Die Kugel war mitten in die Brust eingedrungen. Der erste Schuss hatte den Oberschenkel getroffen.
Riku zog sein Handy aus der Tasche. »Ich rufe einen Krankenwagen …«
»Zu spät«, keuchte der Mann. »Tanner, hör mir zu …«
Riku erschrak und beugte sich näher zu ihm herunter. Der Mann kannte ihn. Wie war das möglich? Er sah ihn genau an, aber das Gesicht war ihm fremd. Er tippte die Notrufnummer.
»Bykow weiß, dass du mit einem seiner Männer dein Spiel spielst«, stammelte der Russe.
Riku bekam eine Gänsehaut und lauschte atemlos den Worten, die der Verletzte mühsam hervorbrachte.
»Bykow weiß nicht, wer dein Kontaktmann ist, deshalb könnensie ihn nicht töten … Aber dich kennen sie. Dich können sie töten … und deinen Sohn …«
Die Worte trafen Riku wie ein Stromschlag. Er hielt sein Ohr unmittelbar an den Mund des Russen. »Meinen Sohn? Was zum Teufel meinst du damit?« Der Schock raubte ihm fast die Stimme. »Hat Bykow vor, meinem Jungen etwas anzutun?«
Der Russe schloss die Augen. Riku legte ihm einen Finger auf die Halsschlagader, dann meldete sich endlich die Notrufzentrale. Riku schilderte die Situation und gab die Adresse an, obwohl er wusste, dass es zu spät war.
Inzwischen waren bewaffnete Polizisten eingetroffen und kamen nun in der halbdunklen Halle näher, die Waffen im Anschlag.
»Riku Tanner, RKP«, sagte er laut und stand auf. Sein Mund war so trocken, dass er Schwierigkeiten hatte zu sprechen. »Der Gesuchte ist tot.«
Der Leiter der Einsatzgruppe sah Riku ernst an.
»In der Situation hieß es: entweder er oder ich«, erklärte Riku heiser. »Die beiden Zivilisten befinden sich in der angrenzenden Halle.«
Langsam ging er auf den Ausgang zu. Immer mehr Polizisten tauchten in der Halle auf, monotone Befehle ertönten aus Funkgeräten, doch in Rikus Ohren klangen die Worte des Sterbenden nach: Dich können sie töten … und deinen Sohn …
»Tanner«, rief jemand hinter ihm. »Wo willst du hin?«
»Ich brauche ein bisschen Luft.«
»Geh nicht zu weit. Wir müssen ein paar Sachen klären.«
»Ich weiß«, antwortete Riku matt. Natürlich wusste er, dass ihm wegen der Schießerei eine gründliche Untersuchung bevorstand. Aber noch passte kein klarer Gedanke in seinen Kopf.
Er verließ die Halle. Die Stimmen vom Tatort blieben zurück und wurden zu einem unwirklichen, seltsamen Gemurmel.
Vom Tatort.
Er oder ich, sagte Riku sich immer wieder vor. Es war eine Notwehrsituation gewesen. Er hatte instinktiv gehandelt, gar keine Zeit gehabt, zu überlegen, wohin er zielen sollte.
Draußen war Wind aufgekommen. Riku versuchte vernünftig zu denken. Er musste Leo in Sicherheit bringen, unverzüglich. Das würde ihm aber nicht gelingen, wenn er hierbliebe, um die Todesumstände des Russen zu klären. Außerdem konnte er seinen Kollegen unter keinen Umständen verraten, was der Sterbende gesagt hatte, denn dann würde er seine Informationsquelle preisgeben müssen, und die war nicht ganz astrein. Er musste jetzt Prioritäten setzen. Kaum hatte er das gedacht, beschleunigte er seine Schritte auf dem Gelände, das inzwischen voller Polizeiautos stand.
Wie ein Unbeteiligter eilte er zwischen den
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