Die Schockwelle: Thriller (German Edition)
erzählt, wie gefährlich der rote Staub war, und ihn dazu überredet, die Sherpa-Leute heimlich in die Mine und ins Werk zu führen, damit sie dort Messungen vornehmen konnten.
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: In der Nacht ist in unser Quartier eingebrochen worden. Die Diebe haben Geld mitgenommen, aber das kann ein Vorwand gewesen sein. Jemand hat die Unterlagen mit unseren Ergebnissen durchwühlt. Danach ist noch etwas Seltsames passiert: Salou ist verschwunden.
Didier erschrak. Er musste so schnell wie möglich nach Arlit.
Wir haben Gerüchte gehört, nach denen wir in einen Hinterhalt geraten würden, wenn wir Arlit verließen. Wir vermuten, dass jemand den Straßenräubern einen Tipp gegeben hat. Diesind bereit, uns als Geiseln an al-Qaida zu verkaufen. Wir können uns auf niemanden in der Stadt verlassen, und wir kommen hier nicht weg, denn wir haben kein Vertrauen in unsere bewaffneten Bewacher.
Besorgt las Didier die Botschaft. Der Weg durch die Wüste nach Arlit war wegen der Straßenräuber gefährlich. Daher war eine bewaffnete Eskorte unumgänglich. Im Grunde war es dreist, ausgerechnet den Bewachern Verrat zu unterstellen, bei genauerer Überlegung jedoch absolut denkbar.
Wir sitzen in der Falle. Wir können weder dem Konzern noch den Bewachern noch den Einheimischen trauen. Im Grunde denken wir nur noch über eine Alternative nach: die Wüste auf eigene Faust zu durchqueren, ohne jemanden darüber zu informieren.
Das mochte das Klügste sein. Allerdings war es gefährlich, allein durch die Wüste zu fahren, aber in der momentanen Situation war es vielleicht doch die beste Variante. Didier wusste, dass die Franzosen über zwei Geländewagen verfügten, die relativ gut in Schuss und leistungsstark waren.
Er sah auf die Uhr und schrieb: »Ich muss zurück an die Arbeit. Tut, was ihr für richtig haltet. Ich versuche, so schnell wie möglich zu kommen. Ich kann euch über die Aïr-Berge hinausführen, aber wenn ihr nicht warten könnt, verstehe ich das und wünsche euch eine gute Fahrt.«
Didier schloss die Internetverbindung und löschte den Verlauf. Er war voller Hass auf die Franzosen und auf den skrupellosen Atomkonzern, der die Rolle der Kolonialherren übernommen hatte. Der grauenhafteste Moment für ihn war derjenige gewesen, als man fünfhundert Uranbrennstäbe – Schätze, die auf Kosten der Gesundheit seines Vaters und anderer bei der Mine lebender Menschen abgebaut worden waren – ins Herz des neuen Reaktors in Olkiluoto gebracht hatte.
Didier ging zu dem kolossalen Meiler zurück und kam sich vor wie ein einsamer Tuareg-Krieger, der mitten aus demSandsturm auftauchte und unter dem verdunkelten Himmel den mächtigen Feind angriff.
Im Gehen rief er Richter an. Der Deutsche hatte ihm eingeschärft, die Nummer nur im absoluten Notfall zu benutzen, aber der lag wohl vor.
»Ich will sofort nach Hause fahren«, sagte er leise auf Englisch und blieb neben dem Eingang zur Meerwasseranlage stehen, wo ihn niemand hören konnte.
»Du weißt, dass das nicht geht.«
»Willst du damit sagen, dass ich nicht zur Beerdigung meines Vaters reisen kann?«
»Du kannst naturgemäß nirgendwohin«, erwiderte der Deutsche strikt.
»Das Begräbnis ist in unserer Kultur enorm wichtig. Unvorstellbar, dass ein Sohn nicht dabei ist, wenn sein Vater begraben wird.«
»Das verstehe ich, aber du bist mit deiner Arbeit noch nicht fertig. Denk daran, weshalb dein Vater gestorben ist. Denk daran, wer und was ihn umgebracht hat. Willst du den Tod deines Vaters nicht vergelten?«
Didier hielt seinen Zorn und seine Verzweiflung zurück. Wäre sein Vater erst in ein paar Tagen oder Wochen gestorben, wäre er frei gewesen hinzufliegen. Aber das Schicksal hatte anders entschieden.
»Hast du dich zu dieser Aufgabe verpflichtet, oder nicht?«
Didier wusste, dass er keine Wahl hatte. »Natürlich habe ich das.«
»Dann machen wir also planmäßig weiter. Wir melden uns wegen des nächsten Treffens.«
Die Verbindung wurde beendet. Didier eilte in die Meerwasseranlage, wo die letzten Tests am automatischen Steuerungssystem durchgeführt wurden, und versuchte sich zu beruhigen. Die anderen Mitglieder der Testgruppe waren bereits anwesend.
»Didier«, hallte es durch den riesigen Raum.
Didier blickte nach oben und sah den behelmten Kopf des Vorarbeiters über das Geländer schauen.
»Komm hoch, damit wir anfangen können!«
Zornig stieg Didier die Wendeltreppe zur Testebene hinauf. Das Verschwinden von
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