Die Schockwelle: Thriller (German Edition)
Salou, das Begräbnis seines Vaters, an dem er nicht teilnehmen würde, das Vorgehen der Franzosen, das noch rücksichtsloser war, als er geglaubt hatte – all das wirbelte ihm durch den Kopf und legte sich beklemmend auf seine Brust.
Plötzlich spürte er, dass seine Beine nachgaben: ein Fehltritt. Er taumelte nach hinten, fiel mit einem Schrei rücklings die Treppe hinunter. Während das Hallendach und die gelben Helme über dem Geländer vor seinen Augen rotierten, schoss ihm der Gedanke durch den Kopf, dass er unter dem Treppengeländer durchrutschen könnte. Dann würde er mehr als zehn Meter in die Tiefe fallen.
Es gelang ihm, sich im Rutschen mit einer Hand am Geländer festzuhalten.
Die Arbeiter, die unten in der Halle standen, waren erstarrt und verfolgten erschrocken seinen Sturz.
Didier versuchte, auch mit der anderen Hand das Geländer zu packen, aber die Hand gehorchte ihm nicht. Er spürte eine intensive Schmerzwelle im Arm und verlor kurz das Bewusstsein.
Der braun gebrannte dreißigjährige Franzose klappte den Laptop, der mit einer Satellitenverbindung ausgestattet war, zu und legte sich auf dem Felsvorsprung auf den Rücken. Didiers Ratschläge sollte man ernst nehmen. Mit dem Fernglas beobachtete er den riesigen Tagebaubetrieb, wo Bagger und Raupen arbeiteten und dabei unablässig roten Staub aufwirbelten. Riesige gelbe Lastwagen krochen dröhnend den Weg vom Grund der Grube nach oben. Sie hatten Steinblöcke geladen, die zurMine gebracht wurden. Dort wurden sie zu Steinmehl verarbeitet, aus dem wiederum mithilfe von Wasser und Säure das Uran herausgelöst wurde. Die so gewonnene gelbe Masse wurde in Fässer gefüllt, die zweitausendfünfhundert Kilometer weit nach Benin reisten. Von dort wurden sie mit dem Schiff nach Marseille gebracht.
Hinter dem Tagebaubetrieb ragte ein gewaltiger Berg auf, der aus fünfunddreißig Millionen Tonnen Abraum bestand, der bislang in der Mine angefallen war. Und hinter dem Berg zeichnete sich die unter rotem Staub begrabene Geisterstadt Arlit ab, wo achtzigtausend Menschen in Lehmhütten hockten und versuchten, dem radioaktiven Müll, dem verseuchten Wasser, den Krankheiten und dem Tod zu trotzen.
15
Riku hielt vor seinem Haus im Helsinkier Stadtteil Toukola an. Er wollte nur so schnell wie möglich die nötigsten Sachen packen. Rasch stieg er aus dem Wagen und lief auf das Gartentor zu. Ein warmer Wind ließ die Blätter rascheln. Die Straße mit ihren Holzhäusern und den Laternenpfählen zwischen üppig grünen Laubbäumen wirkte menschenleer. Auch in den geparkten Autos war niemand zu sehen.
Wieder musste Riku an den mysteriösen Einbruch im Frühling denken. Hatte er womöglich auch mit der undichten Stelle bei der Polizei zu tun? Mit dem Verrat interner Geheimnisse? Was hatte der Einbrecher gesucht?
Als er das Gartentor öffnen wollte, hielt er plötzlich inne. Der Riegel des Tors stand anders als sonst. Reflexartig ließ Riku den Blick über die dunklen Fenster des Hauses schweifen, über die Obstbäume und die Laube dahinter. Da nahm er im Augenwinkel eine Bewegung jenseits des hintersten Johannisbeerstrauchs wahr.
Er fuhr herum. Im selben Moment hörte er ein gedämpftes zischendes Geräusch. Eine Kugel flog wenige Millimeter an seinem Kopf vorbei und schlug gegen den nächsten Laternenpfahl.
Riku stürzte zu seinem Wagen, warf sich auf den Fahrersitz und startete den Motor. Blitzschnell legte er den Gang ein und raste los. Das Herz schlug ihm bis zum Hals.
Während er fuhr, wurde ihm die Bedeutung der Ereignisse allmählich in ihrem ganzen Umfang klar, und er begann am ganzen Körper zu zittern. So schnell es ging, fuhr er zu LeosKindergarten.Dabei jagten die Gedanken durch seinen Kopf. Vermutlich hingen der Geheimnisverrat und der Prozess, der gegen ihn angestrengt worden war, zusammen. Manninen, der in der finnisch-estnischen Finesto-Gruppe gearbeitet hatte, und Reini, der stellvertretende Dezernatsleiter, hatten behauptet, ihr Kollege Koivula habe ihnen gegenüber zugegeben, dass die Helsinkier Drogenpolizei in einer Zwangslage ihren Informanten geschützt und gewarnt habe.
Vor Gericht hatte Koivula allerdings bestritten, je ein solches Gespräch mit den beiden geführt zu haben. Und er hatte angemerkt, dass Reini sich damals um dieselbe Stelle beworben habe wie er, sie aber nicht bekommen hätte. Reini wiederum hatte die Ansicht vertreten, das egoistische Vorgehen der Helsinkier Drogenfahnder und das Zurückhalten von Informationen
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