Die Schockwelle: Thriller (German Edition)
zerstört hätten …
Elina erschrak, als ihr Handy klingelte. Sie tastete sofort danach und spürte die missbilligenden Blicke ringsum. In der Stille des Archivs musste das Handy stets auf lautlos gestellt oder ausgeschaltet sein. Bisher hatte sie auch immer daran gedacht,aber die Ereignisse der letzten Tage hatten offensichtlich ihre Spuren hinterlassen.
Es war Riku, der anrief. Elina ging schnell auf den Gang hinaus und meldete sich.
»Ich bin auf dem Weg nach Tegel«, sagte Riku seltsam lakonisch. »Ich fliege nach Helsinki zurück.«
»Was redest du da? Jetzt, wo wir in Deutschland allmählich der Sache näherkommen …«
»Sie haben meinen Sohn. Sie haben Leo mitgenommen. Sag das niemandem, nicht einmal Sebastian. Schon gar nicht Sebastian!«
Im Terminal von Air Berlin eilte Riku im Laufschritt auf die Sicherheitskontrolle zu. Er hatte das Ticket mit seiner eigenen Kreditkarte gekauft. Sollte Jalava doch herausfinden, wohin er unterwegs war, außer Leo war alles bedeutungslos geworden.
Um sich wenigstens einen letzten Rest Handlungsfähigkeit zu bewahren, weigerte er sich, daran zu denken, wo Leo gerade war und was wohl mit ihm geschehen mochte. Er konzentrierte sich nur auf die Menschen in der Abflughalle um ihn herum, die aktuellen Sekunden und Minuten, auf die er selbst Einfluss nehmen konnte. Die Kette seines Handelns musste ihn innerhalb der nächsten Stunden zu Leo führen. Alles andere war dem untergeordnet. Absolut alles.
Unterwegs hatte er versucht, Mira anzurufen, aber sie hatte sich nicht gemeldet – warum auch immer. Er würde es vor dem Abflug noch einmal probieren. Die Schlange am Flugsteig setzte sich bereits in Bewegung.
In dem Moment, in dem sich Riku anstellte, wurde er von einer unbekannten Nummer aus angerufen. Mira? Sicherheitshalber schaltete er die Aufnahmefunktion ein.
»Hallo?«
»Tanner?«
»Am Apparat.« Mechanisch ging Riku weiter, mit jeder Zelle seines Körpers auf den Anruf konzentriert.
Es raschelte, dann sagte eine vertraute, verweinte Stimme: »Papa, ich hab Angst …«
Riku musste schlucken, aber er riss sich zusammen. Doch bevor er etwas sagen konnte, raschelte es erneut, und eine samtweiche Männerstimme blaffte: »Du kommst um zwei Uhr …«
Obwohl es fast physisch wehtat, unterdrückte Riku einen Wutanfall und unterbrach den Mann: »Meine Maschine landet erst um vier in Helsinki«, log er. Er musste Zeit schinden.
Stille. Riku drückte das Handy fester ans Ohr. Die Bordkartenkontrolle rückte näher. Am anderen Ende der Leitung hörte man im Hintergrund ein metallisches Geräusch, das an Glockenschläge erinnerte.
»Wenn du Leo lebendig wiedersehen willst, kommst du um achtzehn Uhr zum Friedensdenkmal am Hakaniemi-Platz. Dort erhältst du weitere Anweisungen. Und ich muss wohl nicht dazusagen, dass du deinen Sohn nie zurückbekommen wirst, wenn du irgendjemanden informierst.«
Riku wusste, dass es sein sicheres Todesurteil wäre, wenn er zu dem Treffpunkt ginge. Und wenn er nicht hinginge, würde das Gleiche für Leo gelten.
Unbekannte Nummer. Schon wieder.
Mira stellte ihre Tasse auf dem hundert Jahre alten Geschirrbord ab, das sie auf dem Flohmarkt in Imatra gekauft hatte und nach langen Verhandlungen mit Markku an der Küchenwand hatte befestigen dürfen. Dann stellte sie die Packung mit den Teebeuteln in den Schrank zurück und warf einen Blick auf ihr Handy, das am Rand der Arbeitsplatte lag.
War das Riku? Womöglich gab es etwas Dringendes.
»Willst du nicht rangehen?«, fragte Markku vom Esstisch her. Er trug ein weißes Hemd und eine einwandfrei gebundeneKrawatte und beendete gerade sein Frühstück. In der Zeitung stand ein ausführlicher Artikel über die Ermittlungen im Mordfall Vera Dobrina. Darin wurde unter anderem auf einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Mord und organisierten Drogenbanden hingewiesen.
Das Handy klingelte hartnäckig. Miras Herz hämmerte. Markku durfte auf keinen Fall misstrauisch werden, also griff sie nach dem Telefon.
»Hallo?«
»Mira, ich bin’s.«
Riku.
Am liebsten hätte sie ihm gesagt, dass er im denkbar schlechtesten Moment anrief, aber niemand rief die geheime Nummer einer KRP-Polizistin ohne triftigen Grund an. Markku würde sich also sehr wundern, wenn sie das Gespräch wegen des Abwaschs direkt wieder beendete.
Sie warf einen kurzen Blick auf ihren Mann, der zumindest den Eindruck machte, als wäre er in die Zeitung vertieft.
»Moment, bitte«, sagte sie dann in sehr amtlichem Ton, ging ins
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