Die schöne Ärztin
zueinander gehässig, wer erst einmal den dunklen Homburg aufsetze, sei für den kleinen Mann verloren. Elsi Holtmann war wehrlos gegen dieses Geschwätz, nur Onkel Lorenz tippte sich an die Stirn und rief den Meckerern zu: »Ihr Holzköppe! Soll er im Blaumann zum Kongreß gehen? Mit'm Henkelpott am Arm? Ihr habt ja keine Ahnung, wie man erfolgreich verhandelt! Ihr seid Rindviecher!«
In Düsseldorf wurde die Delegation aus Buschhausen in der Hotelhalle von Dr. Vittingsfeld begrüßt, der schon eingetroffen war.
»Es freut mich wirklich, lieber Sassen, daß Sie mitgekommen sind«, sagte er herzlich und drückte Ludwig Sassen beide Hände. Den anderen nickte er zu. Man muß immer und überall einen gewissen Abstand wahren, dachte er dabei. Der alte Sassen ist bereits ausgebootet, mit den zwei Jungen wird es in den nächsten Tagen klappen. Und der alte Sassen wird dabei sogar assistieren, ohne es zu wollen oder zu merken. In ein paar Stunden schon wird die erste Rakete hochgehen.
»Heute abend wird erst einmal der gemütliche Teil absolviert!« rief Dr. Vittingsfeld fröhlich. »Oper, danach Essen im Parkhotel, dann eine schöne Bar …, welche, das bleibt noch meine Überraschung.« Er begrüßte Sabine, die erst noch das Ausladen ihrer Koffer überwacht hatte und nun die Hotelhalle betrat. »Daß Sie mitgekommen sind, Sabine, finde ich besonders charmant.« Dr. Vittingsfeld war in einer Hochstimmung. Die vier bringen selbst den Sprengstoff mit, dachte er und fühlte sich jugendlich beschwingt.
Kurt Holtmann ging auf sein Zimmer, zog sich aus und badete. Vorher rief er noch in Buschhausen an, bei einem Nachbarn, und bat ihn, Vater Hans zu sagen, daß sie gut angekommen seien.
Bis zum Beginn der Oper hatte er noch gut zwei Stunden Zeit. Er zog schon seine Smokinghose an und schlüpfte dann in seinen Morgenmantel. Daß er darunter nur sein Unterhemd trug, sah niemand. So ging er schnell ein paar Türen weiter, klopfte an das Zimmer Sabines und trat ein. Sie lag auf dem Bett, in einem hellvioletten Neglige, und es schien, als habe sie ihn erwartet. Sie hob beide Arme und lud ihn ein, näherzutreten.
»Mein Liebling …«
Kurt Holtmann blieb an der Tür stehen und betrachtete seine Braut. Ein glückliches Lächeln ließ sein Gesicht jungenhaft und fast verlegen wirken.
»Richtig frivol siehst du aus«, sagte er leise.
»Nur für dich.«
»Ich möchte es mir auch verbeten haben, daß andere Männer dich so sehen.«
»Du weißt, daß du der erste und einzige bist, Kurt.«
»Ja, das weiß ich.« Er kam näher, beugte sich über Sabine und küßte sie zärtlich. Sie schlang die Arme um seinen Nacken und drückte seinen Kopf auf ihre Brust.
»Ich bin so glücklich«, sagte sie.
»Ich auch.«
Was weiter gesprochen wurde, ist nicht von Belang. Nichts ist einfallsloser als das Flüstern zweier Verliebter. Und doch klingt jedes »Ich liebe dich!« anders als das vorausgegangene, es ist immer wieder neu, selig, ersehnt.
Der summende Ton des Telefons schreckte sie hoch. Fritz rief an, ob Sabine wisse, wo Kurt sei. Vor der Oper wollte er noch durchsprechen, wie man argumentieren sollte, wenn irgendwann, beim Essen oder in der Bar, doch das Gespräch auf Themen des morgigen Tages kommen sollte.
»Kurt? Nein, der ist nicht hier! Wie kommst du darauf?« Sabine dehnte sich in den Armen Holtmanns. Ihre langen schwarzen Haare, die über sein Gesicht wehten, reizten zum Niesen, und es kostete ihn eine übermenschliche Beherrschung, nicht laut in den Hörer zu schnauben.
Sabine lachte über eine Bemerkung ihres Bruders.
»Du hast eine anständige Schwester, Brüderchen«, rief sie. »Vielleicht ist Kurt in der Hotelbar. Wir treffen uns in einer halben Stunde unten in der Halle. Bis dann …«
Sie legte auf und küßte Kurt erneut und mit der wilden Zärtlichkeit eines jungen Mädchens von heute, das sich seiner Unersättlichkeit nicht mehr schämt. Er bekam keinen Atem mehr, wand sich unter ihrem Kuß hin und her und machte sich dann mit einem Ruck frei.
»Du bist ein Luder! Ein richtiges Luder!« keuchte er lachend und rang nach Luft. »Man sollte Angst haben, so etwas zu heiraten!« Er sprang vom Bett und schlüpfte in seinen Morgenmantel. »Von wem hast du das Küssen gelernt?«
»Da ich keinen Vetter habe, den man vorschieben kann, muß ich sagen: Es ist Naturbegabung.« Sie lachte auch. Ihr gerötetes Gesicht mit den zerwühlten Haaren fiel in die Kissen zurück. Sie breitete die Arme aus und seufzte laut. »Diese
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