Die schöne Ärztin
einem Blick die Situation. Auch Dr. Vittingsfeld setzte ein betroffenes Gesicht auf und räusperte sich.
»Pardon«, sage er nach der ersten Schrecksekunde. »Aber das ahnten wir nicht. Ich habe ein paarmal angerufen und niemand meldete sich. Das kam uns komisch vor, und Dr. Sassen und ich dachten: Sehen wir einmal nach.«
Marianne-Lulu zog die Knie an und setzte sich auf die Couch. Ihre nackten Partien kamen dadurch nur noch mehr zur Wirkung. Sie hatte brave, unschuldige Rehaugen, als sie sagte:
»Wer sind diese Männer? Oh, ich schäme mich ja so, Schatzi …«
Dr. Sassen atmete tief durch und senkte den Kopf. »Ich möchte dich in fünf Minuten in meinem Zimmer sprechen, Kurt!« sagte er hart. »Ganz kurz … ich glaube, mehr ist auch nicht zu sagen.«
»Ich komme sofort mit, Vater.«
»Bitte, nicht mehr diesen Namen!« stieß Dr. Sassen hervor.
»Ich schwöre dir: Ich kenne dieses Mädchen nicht. Ich kam in mein Zimmer und fand sie so.«
»Und wo warst du in der Zeit, in der wir dich vergeblich telefonisch zu erreichen suchten?«
Kurt Holtmann schwieg und sah zu Dr. Vittingsfeld hinüber. Es war unmöglich, in dessen Gegenwart Sabine bloßzustellen. Aber er bemerkte auch das Leuchten in den Augen Vittingsfelds, dieses stumme Triumphieren des Siegers.
»Ich erkläre es dir später, Vater.«
»Was gibt's da noch zu erklären …!«
Dr. Vittingsfeld hob die Schultern, strich sich über die weißen Haare und sagte:
»Es ist uns sichtlich peinlich, Herr Holtmann. Für die Zukunft möchte ich Ihnen nur den Rat geben: Schließen Sie nächstens die Tür ab.«
»Wer sind denn diese bösen Männer, Liebling?« fragte Marianne-Lulu wieder. Sie spielte ihre Rolle vollendet, mit Augenaufschlag und furchtsamer Kinderstimme. »Warum stören sie uns?«
»Vater. Ich versichere –« Kurt Holtmann wollte Dr. Sassen zurückhalten, als dieser das Zimmer verließ. Angeekelt machte sich Sassen von Holtmann los. Er schlug ihm auf die Hand, mit der Kurt seinen Arm ergriff.
»Vater!« Wie betäubt stand Kurt da. Dann rannte er Dr. Sassen nach, und er war sich völlig darüber im klaren, daß er nicht nur seinem Glück, sondern seinem ganzen ferneren Leben nachlief.
Dr. Vittingsfeld schloß leise die Tür des Zimmers 308 und wandte sich zu Marianne-Lulu um. Das Mädchen hatte die aufreizende Haltung aufgegeben und saß nun normal auf der Couch. Aus ihren wirklich schönen Augen sah sie Vittingsfeld verächtlich an, der sagte:
»Gut gemacht, Kleine. Das war gekonnt.«
»Es freut mich, daß Sie zufrieden sind. Das kostet 'n Hunderter extra.«
»Kommt nicht in Frage. Ich habe deinem Manager, oder wie sich so etwas nennt, die Bezahlung per Vorauskasse schon geleistet. Kassier bei dem ab!«
»Geizkragen!« Marianne-Lulu verzog den grell geschminkten Mund. »Bei 'ner normalen Call-Sache würde ich ja nichts sagen. Aber das hier war 'ne Gemeinheit, das merke ich jetzt auch. Und der Junge war süß, ich habe mein Herz verdammt überwinden müssen.«
»Herz! Mach dich nicht lächerlich!« Für Dr. Vittingsfeld war der Fall erledigt. Der Plan war gelungen. Es gab keinen Kurt Holtmann mehr, der die Konferenzen störte und auf Änderung drang. »Zieh dich an und verschwinde!«
»So nicht, du Mumie!« Marianne-Lulu legte sich wieder auf die Couch. »Noch 'n Hunderter, oder ich singe!«
Widerwillig griff Vittingsfeld in die Rocktasche, nahm einen Schein heraus und warf ihn dem Mädchen auf die Brust.
»Ihr seid ein Pack!« sagte er dabei.
Marianne-Lulu faltete den Schein zusammen, musterte den Spender verächtlich und sagte nur: »Ihr nicht, was?«
Mit hochrotem Kopf verließ Dr. Vittingsfeld das Zimmer. Obwohl er es nicht wollte, er ärgerte sich doch. Es ging ihm einfach gegen den Strich, sich von solch einem Stück Mensch beleidigen lassen zu müssen.
Es schien, als ob unsichtbare Augen die Villa Sassen bewacht und die Abreise der Familie nach Düsseldorf auf schnellstem Wege weitergegeben hätten.
Eine Stunde nach der Abfahrt der Wagen ließ sich ein Besucher bei Veronika melden. Das Hausmädchen, das ihn abwimmeln wollte, resignierte nach einigen Minuten Palavers und stieg die Treppe hinauf zum Zimmer der gnädigen Frau.
»Der Herr läßt sich nicht abweisen«, sagte das Mädchen. »Er ist hartnäckig wie ein Teppichhändler. Und so sieht er auch aus. Er will unbedingt die gnädige Frau sprechen. Er könnte sogar Italiener sein.«
Das letztere Merkmal machte Veronika nachdenklich. Sie hatte aber nichts zu
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