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Die schöne Ärztin

Die schöne Ärztin

Titel: Die schöne Ärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verwischten sich die Unterschiede. Vor dem Zechentor aber trennten sich Deutsche und Italiener. Es war, als kennten sie sich nicht mehr, als sähen sie sich zum erstenmal, und die einen fuhren mit dem Bus, ihren Motorrädern, ihren Autos nach Buschhausen, und die anderen gingen zu Fuß zum Barackenlager, moderne Parias, ausgestoßen aus der Gemeinschaft.
    Jeden Samstag und Sonntag gab es in den Buschhausener Wirtschaften Streit und Schlägereien, weil die deutschen jungen Burschen es nicht duldeten, daß die Italiener mit den Mädchen sprachen. Ja, schon ein Lächeln, ein feuriger Blick eines Italieners genügte, und die Fäuste flogen gegen alles Italienische, das gerade in der Nähe war. Es bürgerte sich ein, daß die Italiener nur noch zu dreien oder vieren ausgingen, um sich wirksamer wehren zu können, wenn sie angegriffen wurden. Was halfen da alle Predigten in der Kirche, alle Mahnsprüche von der Kanzel, alle Appelle des Pfarrers, der von Brüderlichkeit sprach, von den Kindern Gottes, die wir alle sind, von Toleranz und Verstehen. Nach der Kirche ging es wieder los, vor allem in ›Onkel Huberts Hütte‹, wo die dralle, nach Willi Korfecks Ausfall verwaiste Martha Kwiatlewski am Tresen stand und keine landsmannschaftlichen Unterschiede kannte. Ihre ausgeschnittenen Kleider, Blusen und Pullover sprachen sich im Italienerlager herum, und so umstanden jeden Sonntag die Söhne des Südens den langen Tresen bei Onkel Hubert und konnten sich nicht sattsehen an den runden Formen Marthas. Wen wundert es, daß jeden Sonntag zwei Polizisten vor Onkel Huberts Lokal hin- und hergingen, um vorzubeugen, und mit beiden Ohren zum Lokal lauschten. Bei dem geringsten lauten Ton stürmten sie in die Wirtschaft, und fast jedesmal war es nötig, einige feurige Kavaliere voneinander zu trennen. Martha Kwiatlewski schimpfte dann zwar mit Worten, die in keiner Sprachlehre standen, und sie entwickelte darin mit bemerkenswerter Phantasie ganz neue Wortschöpfungen, wie etwa ›Drecksaufeiglinge‹, aber niemand nahm ihr das übel, auch die Polizisten nicht, denn obwohl sie ehrbewußte deutsche Beamte waren, fühlten sie sich in erster Hinsicht als Kinder des Ruhrreviers und nahmen deshalb solche Injurien nicht tragisch.
    Pater Wegerich sah also seine vordringliche Aufgabe darin, für die italienischen Arbeiter zu sorgen, für diese Heimatlosen, die sich bemühten, Anschluß zu finden und doch immer nur auf Abwehr und Spott stießen.
    Er zog zunächst aus dem Pfarrhaus von Buschhausen aus und quartierte sich in einem kleinen Raum neben dem Eßsaal des Barackenlagers ein. Dieser Raum hatte früher als Dienstzimmer des Küchenfeldwebels gedient, war dann Abstellraum geworden und am Ende Gerümpellager. Pater Wegerich ließ alles hinauswerfen, stellte ein Feldbett auf, klopfte einige Fünfzoll-Nägel in die Holzwand und hing an ihnen seine Kleider auf. In der allgemeinen Waschanlage wusch er sich jeden Morgen zusammen mit den Italienern, mit bloßem Oberkörper an den Becken stehend, prustend und auf das kalte Wasser schimpfend. Er war Kumpel unter Kumpels, und nach kurzer Zeit schon hieß es: »Unser padre … die madonna hat ihn uns geschickt.«
    Der Ortspfarrer fand diese Wandlung bemerkenswert und berichtete deshalb dem Bischof. Dort schwieg man und gab die Meldung an den Provinzial des Ordens weiter, dem Wegerich angehörte. Es ist zwar gut, und ganz im Sinne des Vatikans, wenn Priester an der vordersten Front der Kirche stehen, aber das Benehmen des Paters ging denn doch zu weit, fand man da und dort. Auch zwischen Priester und Gemeinde muß es eine gewisse Distanz geben. Was Pater Wegerich da zelebrierte, war eine völlige Aufgabe der Würde, ohne die die Kirche nun einmal nicht auskommen kann.
    Es war ein Segen, daß im Orden Pater Wegerichs sich die moderne Ansicht durchgesetzt hatte, Religion gehöre nicht ans Volk, sondern ins Volk. Die jungen Vertreter Gottes auf Erden, abhold allem steifen Konservativismus, welcher der Kirche in unserer Zeit nur schadet, schwiegen zu den Anfragen des Bischofs. Und sie schwiegen auch, als bekannt wurde, daß Pater Wegerich nicht nur mit den Italienern badete und predigte, betete und beichtete, sondern auch ein Orchester gegründet hatte, das keine Psalmen spielte, sondern heiße Musik. Jeden Samstagabend spielte die ›Sizilien-Band‹, wie sie sich nannte, im Speisesaal, und die Musik war so gut und mitreißend, daß draußen vor dem Stacheldraht sich die Jugend Buschhausens versammelte

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