Die schöne Ärztin
hatte, auf die Knie fiel und betete. Beten, das war das einzige, was er tun konnte.
Der Auftritt Dr. Ludwig Sassens im Hause Hans Holtmanns nahm einen ganz anderen Verlauf, als sich ihn Sassen vorstellte.
Zunächst mußte Holtmann vom Taubenschlag heruntergeholt werden und das dauerte schon ein bißchen.
Während der Wartezeit saß Dr. Sassen allein im guten Zimmer, grollend, tief beleidigt, die gestärkten Deckchen anstarrend, die künstlichen Blumen und die Bilder der Familie Holtmann, welche an der Wand hingen und alle Mitglieder des Clans zeigten, angefangen vom bärtigen Großvater bis zum Säugling Barbara. Daß er überhaupt sitzen blieb und nicht einfach wieder das Haus verließ, war nur dem Umstand zu verdanken, daß er heute reinen Tisch machen wollte.
Elsi, die dreimal ins Zimmer wollte, um dem Herrn Direktor eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen zu bringen, wurde von Holtmann knurrend davon abgehalten.
»Hiergeblieben!« sagte er. »Der soll nicht den Eindruck haben, daß er hier willkommen ist. Du verwechselst den jetzigen Moment mit dem Besuch, den er uns machte, als er zum erstenmal in unser Haus kam, um uns kennenzulernen.«
»Du benimmst dich wie der erste Mensch«, sagte Elsi. »Wenn man schon einen Gast hat …«
»Mach mich nicht verrückt!« knurrte Hans Holtmann.
»Es ist ein Gebot der Höflichkeit, daß man …«
»Quatsch!« antwortete Holtmann. »Was heißt hier Gast? Haben wir ihn eingeladen?«
Elsi verstummte. Sie kannte ihren Mann gut genug, um zu wissen, daß hier nichts mehr zu machen war. Hans Holtmann wusch sich noch die Hände. Schon das sei dieser Mensch nicht wert, dachte dabei der erbitterte alte Bergmann. Dann ging er hinüber ins Wohnzimmer und traf Dr. Sassen an, wie er das Bild des Großvaters Holtmann betrachtete.
»Julius Holtmann«, sagte Holtmann laut. »Hauer. Kreistagsabgeordneter der Sozis. Gestorben an Staublunge. Witwenrente 190, – Reichsmark.«
»Dafür kann ich nichts. Diesbezüglich haben sich die Verhältnisse heute ja geändert«, entgegnete Dr. Sassen und setzte sich wieder auf einen der bezogenen Stühle.
Dann saßen sie sich gegenüber, schwiegen, sahen sich ab und zu an und sahen wieder weg.
»Sie haben von dem Vorfall in Düsseldorf gehört«, begann schließlich Dr. Sassen.
Holtmann nickte.
»Ihr Sohn –«
»– wurde das Opfer einer Intrige, einer Falle, die ihm gestellt wurde.«
»Das glauben Sie.«
»Ja.«
Schweigen.
Wieder verging eine Weile, bis einer etwas sagte. Es war Dr. Sassen. Er meinte: »Jedenfalls betrachte ich unter solchen Umständen das Verlöbnis meiner Tochter mit Ihrem Sohn als gelöst.«
»Sie schon!«
»Sie doch auch, hoffe ich.«
»Ich hätte nichts dagegen, Herr Dr. Sassen. Ich bin aber der Meinung, daß ich hier nichts als gelöst oder ungelöst zu betrachten habe. Und Sie, Herr Dr. Sassen, auch nicht!«
»Wer dann?«
»Ihre Tochter. Haben Sie die schon gefragt?«
Verdammt gute Klinge, die der alte Püttmann schlug. Erstaunlich, für einen Menschen ohne die nötige Schulbildung. 1 : 0 für ihn, mußte sich Sassen eingestehen.
»Nein, habe ich noch nicht«, zwang er sich zu sagen. »Wie ich höre, wohnt sie jetzt bei Ihnen.«
»Ja.«
»Ich möchte sie gerne sprechen.«
»Aber Sabine möchte nicht gerne Sie sprechen. Ich habe keine Möglichkeit, sie heranzuschleifen, falls Sie das meinen.«
Dr. Sassen nagte an der Unterlippe. Er wollte losbrüllen, aber dann beherrschte er sich, denn es war falsch, sich gegen Holtmann etwas von Stimmstärke zu versprechen. Das würde wie beim Eisenschmieden sein: Je mehr man hämmert, um so härter wird der Stahl.
»Wenn Sie sie bitten würden …«, sagte er bescheiden.
»Sabine ist in Essen, mit meinem Sohn.«
»Und wann kommt sie wieder?«
»Ich nehme an, heute abend.«
»Wissen Sie, daß das Kuppelei ist, was Sie tun?« trumpfte nun Dr. Sassen doch etwas auf.
»Was ist denn das?« spottete Holtmann. »Den Ausdruck kenne ich ja gar nicht. Aber wir haben ja ein Altersheim in der Nähe, wo ich mich erkundigen kann. Vielleicht gab's das früher einmal.«
2 : 0 für Holtmann.
»Aber Sie können ja Strafanzeige gegen mich erstatten, Herr Doktor Sassen. Ihre Tochter wird sich freuen, als Zeugin vor Gericht zu erscheinen.«
3 : 0 für Holtmann. Nein, das war gleichbedeutend mit einem 5 : 0. Dr. Sassen verlor den Kopf. Er entschloß sich, den Stier bei den Hörnern zu packen, und geriet dabei vollends ins Abseits.
»Herr Holtmann«, sagte er, »machen wir es
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