Die schöne Ärztin
Martha schrill. »Alle gegen einen! Ihr Feiglinge!«
»Tu das Messer weg!« sagte Willi Korfeck zu Cabanazzi.
Der schüttelte den Kopf. »No! Türe erst frei!«
»Ich mache Gehacktes aus dir, wenn du das Messer nicht weglegst.«
Cabanazzi lächelte gefährlich. »Tür frei!« sagte er wieder.
Willi Korfeck streckte die Hände vor, das Messer zuckte im gleichen Augenblick auf Korfeck zu. Die rote Martha begann zu schreien:
»Hilfe! Hilfe!!«
»Halt's Maul!« brüllte Korfeck. »Dem helfe ich!«
Er täuschte einen Sprung nach vorn vor, auf das Messer zu. Im gleichen Augenblick schleuderte einer dem Italiener einen Stuhl ins Kreuz. Cabanazzi stolperte von dem Anprall, das Messer sank herab, er suchte Halt an der Theke. Diese Sekunde nutzte Korfeck. Er ergiff blitzschnell den Arm Cabanazzis und drehte ihn um, der Italiener brüllte auf und ließ das Messer fallen.
»So, mein Junge!« sagte Willi Korfeck genüßlich. »Und jetzt kommt der Bums!«
Er schlug einmal zu, präzise wie immer, genau auf die Kinnspitze. Es war Cabanazzi, als explodiere ihm sein Kopf, als löse sich die Welt in bunte Sterne auf. Er spürte, wie er zu fallen begann … dann wußte und sah er nichts mehr. Lang hingestreckt lag er auf dem Boden vor dem Tresen, aus seinem Mundwinkel troff Blut.
Willi Korfeck putzte sich die Hände an der Hose ab.
»So, das wär's«, sagte er. »Und nun zu dir, du rotes Luder. Dir verhaue ich den nackten Arsch –«
»Hilfe!« schrie Martha Kwiatlewski wieder. »Hilfe! Ihr Feiglinge! Ihr Saubande!«
Hinter der Mauer der Männer ging die Lokaltür auf. Jemand, den man von der Theke aus nicht sehen konnte, betrat ›Onkel Huberts Hütte‹. Erst, als sich einige Männer unsanft in den Rücken geboxt fühlten, wichen sie zur Seite, wollten losschimpfen, wurden dann aber verlegen und verdrückten sich an ihre Tische.
Korfecks Augenmerk galt nur Martha. Er zog die Sonntagsjacke aus. Mit Martha würde es schwieriger werden als mit Cabanazzi. Martha würde spucken, kratzen und beißen.
»Ich werde dir zeigen, zu wem du gehörst«, sagte er verheißungsvoll. »Denkste, ich will'n Flittchen zur Frau?!«
»Willi!« sagte in diesem Augenblick eine Stimme hinter ihm. Am entgeisterten Gesicht Marthas sah Korfeck, daß hinter seinem Rücken etwas Ungewöhnliches geschah. Er fuhr herum und blickte in die harten Augen Pater Wegerichs. Verblüfft stieß er hervor: »Wo kommen Sie denn her?«
»Aus der Kirche – wie du!«
»Aber Sie standen doch am Altar. Die Messe war ja noch gar nicht zu Ende.«
»Fast war sie das schon. Das letzte Stück kürzte ich ab, als ich dich verschwinden sah. Die Sache schien mir verdächtig. Ich kenne euch. Gott wird mir verzeihen.«
»Und was wollen Sie hier?«
Pater Wegerich zeigte auf den bewußtlosen Cabanazzi. »Heb ihn auf!«
Willi Korfeck guckte verständnislos.
»Wie?« fragte er dumm.
»Du sollst ihn aufheben.«
»Nein.«
»Ist er nicht auch dein Bruder vor Gott?«
»Ein Saukerl ist er. Er soll froh sein, daß ich ihn nicht totschlage!« brüllte Korfeck.
»Du hebst ihn auf!«
»Ich denke nicht daran!« Korfeck sah sich um. Die anderen Männer schwiegen und blickten weg, als er von ihnen Beistand erwartete.
»Was ist mit euch?« rief er.
Keine Antwort.
»Scheißkerle!«
Er wandte sich verächtlich von ihnen ab.
Pater Wegerich trat zu dem ohnmächtigen Italiener, wobei er zu Martha sagte: »Kommen Sie, helfen Sie mir, dann erledigen wir das.«
»Du nicht!« brüllte Korfeck das Mädchen an. »Du rührst mir den nicht an!«
»Dann du!« antwortete sie entschlossen. »Nur so kannst du mich daran hindern!«
Korfecks größte Niederlage seit Menschengedenken war nicht mehr abzuwenden.
Am Sonntagnachmittag wartete Veronika vergeblich im Birkenwald. Sie fand keine Erklärung dafür, warum Cabanazzi nicht kam.
Unruhig ging sie zwischen den Birken hin und her, erklomm den Haldenhügel und sah über das leicht gewellte grüne Land, das unvermittelt, wie mit dem Lineal gezogen, aufhörte und an die Zone der Kohlenhalden, der Schienen und Lagerplätze grenzte.
Als sie wieder hinuntersteigen wollte, um zurück zur Villa zu gehen, begegnete ihr Dr. Pillnitz. Er stand im Hohlweg und rührte sich nicht, bis Veronika vor ihm stand.
»Ich finde dich lächerlich, Bernd«, sagte sie giftig. »Aus dem Stadium der Schülerliebe solltest du heraus sein.«
»Du wartest auf deinen Romeo?« Dr. Pillnitz grinste schadenfroh. »Der liegt auf Zimmer 2 meiner Krankenstation. Man hat
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