Die schöne Ärztin
sagte Mario und grinste. »Das ist meine ganz private Meinung. Überall gibt es solche Menschen wie dich. Sie schaden uns allen, denn die anderen denken, wir sind alle so. Sei vernünftig, Luigi, das Komitee kennt keinen Spaß.«
»Ich habe keine Angst!« rief Cabanazzi und warf den schönen, schwarzen Lockenkopf zurück.
»Schweig, du Narr!«
»Ich bin ein freier Mensch!«
»Das sagen wir alle.« Mario Giovannoni winkte. »Komm. In einer Stunde ist Schichtwechsel.«
»Ich fahre heute die Nachtschicht.«
»Nein. Du fährst für Enrico Gambia ein. Er ist krank.«
»Vorhin saß er noch am Tisch und spielte Karten.«
»Er ist krank, Luigi – sagt das Komitee.«
Cabanazzi nickte resignierend. In seinem Inneren hatte er sich jetzt entschieden. Man trieb ihn dazu. Ich werde diesen dottore töten, dachte er. Nicht, weil ich ihn hasse, sondern weil ich das Geld brauche und meine Freiheit – drüben in Südamerika. Mit 10.000, – Mark werde ich ein kleines Restaurant aufmachen. Ich werde Pizza backen und Spaghetti kochen, eine Minestrone und eine herrliche Pasta. Ja, so wird es werden. Ich werde Ruhe haben – und diese Ruhe ist mir ein Menschenleben wert.
Wortlos ging er an der Seite Giovannonis zurück zum Lager. Keiner beachtete ihn sonderlich, man grüßte sich, wechselte Zurufe. Es war tödlich, über die Mafia zu sprechen. Man zwang sich zu denken, es gäbe sie überhaupt nicht.
Eine Stunde später fuhr Cabanazzi in den Schacht V ein. In 600 Meter Tiefe brach er die Kohle und schaufelte sie auf das quietschende ratternde Förderband.
Der Besuch Dr. Sassens bei den Holtmanns und die Unterredung unter vier Augen zwischen Dr. Sassen und Hans Holtmann hatte zwei Resultate ergeben, von denen eines allerdings Zweifel in Hans Holtmann wachrief.
Direktor Sassen gab sein grundsätzliches Einverständnis zu einer Heirat zwischen Sabine und Kurt. Das war das positive Resultat. Das andere Resultat war, daß er gleichzeitig auch die Bedingung stellte, daß ab sofort Kurt Holtmann nicht mehr einfuhr, sondern einen Posten über Tage übernahm. In der Verwaltung. In der Direktions-Assistenz.
»Sie müssen einsehen, lieber Holtmann, daß mein zukünftiger Schwiegersohn nicht mehr vor Ort steht und mit der Kreuzhacke gegen die Kohle schlägt«, sagte Dr. Sassen. Hans Holtmann sah das durchaus nicht ein, aber dieses Mal schwieg er, um den kaum hergestellten Frieden nicht wieder zu gefährden. Kurt wird sich nicht freuen, das zu hören, dachte er nur. Wenn er mein Sohn ist, so wie ich es glaube, wird er morgen bereits seinen dicken Kopf durchsetzen und doch weiter einfahren. Man kann einen Püttmann in der vierten Generation nicht so leicht versetzen, ebensowenig wie eine hundertjährige Eiche.
Kurt Holtmann reagierte allerdings zur großen Enttäuschung seines Vaters anders.
Nach der ersten Freude – Elsi weinte vor Mutterglück und Barbara konnte sich gar nicht beruhigen, Schwägerin einer Millionärstochter zu werden (Was wird Theo sagen, dachte sie immer wieder. Theo Barnitzki hat doch solch einen Rochus auf die Direktion!) – trank Kurt Holtmann eine Flasche Bier und begann, in der bedächtigen Art des Ruhrmenschen zu sprechen.
»Ich mache mit, Vater«, sagte er.
»Was, Junge?«
»Ich gehe aus'm Pütt.«
»Jetzt auf einmal!« antwortete Hans Holtmann überrascht.
»Überleg mal, Vater! Heute, vor Ort, fingen die Kumpels schon an. So was spricht sich ja schnell rum. ›Hör mal, Kurt‹, haben sie gesagt, ›wennste später mal Direktor bist, dann ist doch klar, daß hier der Sauschacht anders wird, was? Und wenn die uns von der Kohlenkrise vorjammern wollen, dann sagste denen die Meinung, das, was wir denken. Von wegen Krise und Kohle auf Halden! Die Konkurrenz des Heizöls drückt. Du weißt doch, wie das alles ist, Kurt. Wir fördern immer mehr Kohle, wir haben 300.000 Italiener im Pütt … aber die Kohle wird immer teurer. Da ist doch was faul, Junge!‹ Siehst du, so haben die Kumpels zu mir gesagt – und das ist ja auch deine Meinung, Vater.«
»Hm!« machte der alte Holtmann, aber sonst schwieg er.
»Da habe ich mir gedacht: Über Tage, in der Direktion, kann ich wirklich sagen, was ich und die Kumpels denken.«
»Und fliegst raus!«
»Als Schwiegersohn vom Alten? Das möchte ich sehen!«
»Du wirst ein kleines, armes Schwein bleiben, auch wenn du bei deiner reichen Sabine im Bett liegst –«
»Vater!« Kurt Holtmann sprang auf. »Wenn wir in solchem Ton weiterreden wollen, fangen wir erst gar
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