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Die schöne Ärztin

Die schöne Ärztin

Titel: Die schöne Ärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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man mit 10.000, – Mark eine neue Existenz aufbauen. Die Überfahrt konnte man sich auf dem Schiff verdienen, sie brauchte keinen Lire zu kosten. Aber dann war man frei, ein winziges Wesen in einem riesigen Kontinent, kein Druck saß einem mehr im Nacken, keine Drohung, keine Angst, keine Vergangenheit.
    Cabanazzi rauchte hastig und dachte nach. Ein Menschenleben hatte für ihn nie viel bedeutet. In seinem Dorf war eine gute Milchziege wertvoller, aus ihrer Milch konnte man Butter und Käse machen. Ein Mensch lungerte nur herum und fraß, vermehrte das Elend der Arbeitslosigkeit und belastete die Dorfgemeinschaft. Hier aber war es etwas anderes. In den Bergen Siziliens fragte keiner, woher die Kugel gekommen war, die getroffen hatte. Wenn aber der dottore hier starb, würde die Polizei der ganzen Umgebung auf den Beinen sein. Es galt also, vorsichtig zu sein, alles scharf zu überlegen, nach einem Plan zu arbeiten, etwas Perfektes zu tun.
    Nachdenklich entfernte sich Cabanazzi und ging den privaten Waldweg zurück nach Buschhausen. Er sah nicht, wie ihm eine Gestalt folgte, wie sie seitlich an ihm vorbeiglitt, ihn überholte; erst, als sie aus dem Schatten der Bäume heraustrat auf die Straße, entdeckte er sie und blieb wie angewurzelt stehen. Er hob instinktiv beide Hände zur Abwehr.
    »Mario!« sagte Cabanazzi heiser, als er den anderen Mann erkannte. »Was willst du denn hier?«
    Mario Giovannoni steckte eine Hand in die Tasche. Cabanazzi senkte den Kopf und zog die Schultern hoch. Wie ein sprungbereites Raubtier stand er auf der Straße, die Beine leicht gespreizt, um sofort vorschnellen zu können.
    Er hat ein Messer in der Tasche, dachte er. Aber er weiß, daß auch ich eines besitze. Er ist kleiner als ich, vielleicht jedoch schneller.
    Lauernd standen sie sich gegenüber, starrten sich an und warteten.
    »Na, was ist?« fragte Cabanazzi endlich.
    »Das Komitee schickt mich, Luigi«, sagte Mario Giovannoni hart. Cabanazzi biß die Zähne zusammen.
    »Sie sollen mich in Ruhe lassen!«
    »Du hast geschworen und das schwarze Kreuz geküßt.«
    Cabanazzi spürte, wie ihm heiß wurde. Ich muß weg, dachte er wieder. Ich muß über den Ozean nach Südamerika. Ich muß mir diese 10.000, – Mark verdienen. Ich habe gar keine andere Wahl.
    »Ich habe nichts Verbotenes getan.«
    »Was wolltest du in der Villa?«
    Cabanazzi schwieg. Mario Giovannoni trat einen Schritt näher. Er hielt aber sofort inne, als er sah, wie sich Cabanazzi duckte.
    »Du hast Blumen gebracht …«
    »Das ist meine Sache, Mario.«
    »Das Komitee schickt dir hiermit die erste Warnung, Luigi. Wir warnen nur dreimal, das weißt du.«
    Cabanazzi versuchte zu lachen, obwohl ihm die Kehle wie zugeschnürt war. »Ihr Großmäuler!« rief er, aber in seiner Stimme schwang die nackte Angst mit. »Was wollt ihr denn? Wir sind hier nicht in Sicilia, sondern in Germania! Hier ist ein anderes Land! Hier sind Gesetze! Wenn ich zur Polizei gehe und euch anzeige, wird man euch verhaften!«
    »Geh hin, Luigi«, sagte Mario und lächelte breit. Er wußte, daß es eine leere Drohung war. Kein Mensch unterzeichnet sein eigenes Todesurteil.
    »Hier gibt es keinen Terror!« rief Cabanazzi. »Wir sind in Germania!«
    »Wenn du im Lager bist, Luigi, bist du in Italien. In Sizilien. Das weißt du genau so gut wie wir. Im Lager gibt es nur ein Gesetz, und das machen wir! Sprich nicht von den Deutschen oder den Kommissionen aus Rom! Was kümmern uns die Regierungsbeauftragten, die staatlichen Kontrolleure, diese dummen Beamten, die viel reden, um zu beweisen, daß sie etwas tun für ihr Geld! Das Gesetz sind wir. Das Komitee. Das weißt du doch.«
    Cabanazzi schwieg. Dann nickte er langsam. Es gab gar keine andere Antwort. Er wußte es wie jeder Italiener im Lager. Es gab kein Entrinnen, solange man in dieser Gemeinschaft lebte. Erst drüben, in Südamerika, war man frei. Ob in den USA, in Italien und jetzt auch in Deutschland: Wo größere Mengen Italiener zusammenlebten und arbeiteten, war auch die Mafia. Niemand sprach darüber, jeder hatte taube Ohren, wenn man ihn danach fragte, keiner wußte etwas. Aber sie war da, allgegenwärtig, drohend, gnadenlos – und doch wieder wie eine Mutter, die alles für ihren braven, folgsamen Jungen tut.
    Mario Giovannoni nahm die Hände aus der Hosentasche. Auch Cabanazzi entspannte sich. Man hatte sich alles gesagt, man wußte nun, worum es ging: die Gefahr war vorbei.
    »Du bist ein Mensch, der nicht leben dürfte, Luigi«,

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