Die schöne Ärztin
Sie wie ein unreifer Junge, Bernhard«, sagte Waltraud Born gepreßt. Sie glaubte zu wissen, was Dr. Pillnitz meinte, und schauderte innerlich bei dem Gedanken an die Folgen, die daraus entstehen konnten. »Wären Sie Korse oder Sizilianer, traute ich Ihnen die Blutrache zu.«
»Dazu braucht man kein Korse zu sein, Waltraud.«
»Das ist doch verrückt, Bernhard!« rief Dr. Born aufgebracht. »Kommen Sie zu sich!«
»Der Trieb eines Menschen ist so uralt wie seine Entwicklung.« Dr. Pillnitz starrte an die weißgetünchte Decke des Krankenzimmers. »Machen Sie sich keine Gedanken darüber, Waltraud«, sagte er, »mit diesen Dingen werde ich schon allein fertig.«
»Dann müßte man fast wünschen, daß Sie für immer ans Bett gefesselt und dadurch ungefährlich bleiben, wenn Sie nicht zur Vernunft kommen wollen.«
Dr. Pillnitz lächelte schmerzlich. »Sie sind eine Frau, Waltraud. Sie können nicht verstehen, wie vollständig ein Mann durch eine Frau um den Verstand gebracht werden kann.«
Mit blassem Entsetzen saß Veronika Sassen im Wintergarten der Villa und starrte auf Luigi Cabanazzi. Er stand mit einem großen Blumenstrauß mitten im Zimmer, hatte eine artige Verbeugung gemacht und sagte nun: »Mit schönes Gruß von ganzes Italienlager! Wir wünschen Gutes alles der Frau Chefin.« Dann hielt er den Blumenstrauß von sich und lächelte Veronika durch die Blüten an.
»Danke«, sagte Veronika leise. »Vielen Dank.«
»Das finde ich nett von den Leuten«, sagte Sabine und nahm den großen Blumenstrauß Cabanazzi aus der Hand, um eine Vase zu suchen. »Ich glaube, ich muß die Bodenvase nehmen.«
»Ja, Sabine.«
Veronikas Lippen waren zu einem Strich zusammengepreßt. Als Sabine aus dem Zimmer gegangen war, um die Vase zu holen, zischte sie Cabanazzi an.
»Was willst du hier? Raus!«
»Mia bella«, sagte Luigi leise. »Isch gekommen unter Lebensgefahr. Isch dich lieben …«
»Von wem sind die Blumen?«
»Von mir.«
»Du hast Oliver seinem Schicksal überlassen, du Schuft! Ich will dich nicht wiedersehen! Verschwinde aus Buschhausen.«
»Ohne moneta?«
Das Gesicht Veronikas wurde kalt. Ihre Schönheit gefror zu einer Maske, in der Brutalität lauerte.
»Geld brauchst du? Nun gut, du kannst dir 10.000, – Mark verdienen.«
»10.000 Mark?«
»Das sind 6 Millionen Lire!«
»Madonna mia!« Die Augen Cabanazzis wurden eng und lauernd. »Wofür!« fragte er, plötzlich heiser.
»Ein Mensch soll Ruhe haben. Das Leben ist für ihn zu anstrengend.«
»Der dottore?«
»Ja!«
Ein klares, hartes, erbarmungsloses Ja. Cabanazzi zuckte zusammen.
»Nein, madonna«, sagte er tonlos.
»Feigling! Geh!« Veronika erhob sich und musterte ihn wie einen ekelhaften Wurm. »Mit 6 Millionen Lire wärst du in deinem Land ein König!«
»Ich kann nicht mehr nach Italien zurück.«
»Ach!« Die Augen Veronikas verengten sich wieder. »Wirst du dort gesucht? Wie interessant. Man sollte dem Bürgermeister deines Heimatortes mitteilen, wo du jetzt bist.«
»Ich töte dich!« sagte Cabanazzi hitzig.
»Nicht mich … den anderen. Für 10.000, – Mark!«
Sabine kam mit der großen Bodenvase zurück. »Ist die schwer«, schnaufte sie. »Da läuft man ja Gefahr, sich einen Bruch zu heben.«
Luigi Cabanazzi verbeugte sich vor Veronika. »Ich werde es mir überlegen, signora«, sagte er höflich. »Ich will mich erkundigen.«
Er verbeugte sich noch einmal, sah Veronika aus seinen dunklen Augen ausdruckslos an und ging schnell hinaus. Sabine blickte ihm nach.
»Was will er sich überlegen?« fragte sie und steckte den großen Blumenstrauß in die Vase.
»Ach, ein Gedanke von mir«, sagte Veronika Sassen leichthin und schlenderte ans Fenster. »Die Italiener können doch alle schön singen. Ich habe mir gedacht, wenn sie einen Chor bilden und deinem Papa zum Geburtstag ein Ständchen darbringen … das wäre doch schön, nicht wahr?«
»Sehr schön, Veronika!« rief Sabine.
Veronika lächelte. »Wirklich sehr schön –«, sagte sie versonnen. »Wenn er es sich überlegt –«
8
Luigi Cabanazzi verließ bis ins Innerste aufgewühlt die Villa Sassen. Er stellte sich draußen an die Mauer der Einfahrt, steckte sich eine Zigarette an und machte erst einmal ein paar tiefe Züge, um sich zu beruhigen.
10.000, – Mark, dachte er. Das ist nicht viel, wenn man vogelfrei ist. Aber es ist genug, weiterzuziehen … nach Frankreich vielleicht, oder noch weiter, mit einem Schiff über den Ozean nach Südamerika. Dort konnte
Weitere Kostenlose Bücher