Die schöne Ärztin
in Spanien eingeflogen worden.«
»Willst du mir sagen, was jede Blüte kostet?«
»Nein! Sind sie nicht herrlich?«
»Mit dem gleichen Geld hätte eine kinderreiche Mutter fast acht Tage in die Alpen oder an die See fahren können.«
Sabine sah Kurt Holtmann aus bittenden Augen an. »Versprich mir, Kurt«, sagte sie ängstlich, »daß du solche Reden nicht da drinnen führst. Es ist dein erster Abend, es ist unser Abend. Wenn du nicht anders kannst, spiel Theater. Sie spielen ja alle Theater und sagen nicht, was sie denken. Ich flehe dich an, zeige ihnen von dir das Bild eines höflichen jungen Mannes. Mehr erwarten sie nicht.«
Kurt Holtmann atmete tief ein. O Vater, dachte er. Du würdest jetzt die zwanzig Chrysanthemen mit den herrlichen Köpfen an die Wand schlagen. Ich aber werde sie Frau Direktor Sassen überreichen, mit einem eckigen Diener und einem ungelenken Handkuß. Der Hauer Holtmann in der großen Welt …
Dr. Sassen erledigte die Prozedur der Vorstellung schnell und unkonventionell. Er gab Kurt Holtmann, als er die Gesellschaftshalle der Villa betrat, die Hand, klopfte ihm vor allen auf die Schulter, damit deutlich das Familiäre hervorhebend, und sagte dann: »Meine Damen und Herren – Herr Holtmann, der Verlobte meiner Tochter Sabine …«
Kurt verbeugte sich leicht. Die Blicke der Damen musterten kritisch den hochgewachsenen, muskulösen, jungen Mann in dem eleganten Smoking. Ein sympathischer Junge, dachten sie. Sicherlich ein Jurist. Der alte Sassen wird sich seinen Schwiegersohn schon nach entsprechenden Gesichtspunkten ausgesucht haben.
Der große Augenblick war vorbei. Ein Glas Champagner wurde zur Begrüßung gereicht, in einer Ecke der Halle stand ein riesiger langer, weiß gedeckter Tisch, auf dem zahllose, große Silberplatten mit den herrlichsten kulinarischen Köstlichkeiten standen. Das kalte Büffet.
Nach den ersten höflichen Verneigungen bildete sich eine Gruppe um Kurt Holtmann. Man wollte sehen, wes Geisteskind der neue Mann bei Sassen war. Als Schwiegersohn mußte man später mit ihm rechnen. Hoffentlich war er anders als der junge Dr. Fritz Sassen, dieser von unaktuellen Modernisierungsideen infizierte Reformer, der wie ein Fremdkörper in der Gesellschaft wirkte, wie ein Staubkorn im Auge. Sabine stand bei den Damen. Auch sie wurde verhört.
»Was halten Sie von der gegenwärtigen Krise auf dem Energiemarkt, lieber Doktor?« fragte einer der Herren und schnippte die Asche von seiner Zigarre. Es war, wie sich später herausstellte, ein Generaldirektor und Mitglied des Aufsichtsrates.
»Ganz schlicht Holtmann«, sagte Kurt und lächelte.
»Wie bitte?« fragte der Herr irritiert.
»Nicht Doktor, nur Holtmann.«
»Ach so.« Das Aufsichtsratsmitglied mit den Mensurschmissen des alten Corpsstudenten legte deutliche Reserve an den Tag. Kein Doktor, dachte er überrascht. Das hätte ich vom alten Sassen nicht erwartet.
»Es gibt keine Krise, wenn wir ihr entgegentreten«, sagte Kurt Holtmann.
»Bitte, erklären Sie das, Herr Holtmann!« antwortete der Herr kühl.
»Man kann das Öl nicht dafür verantwortlich machen, daß es an der Ruhr seit Jahren bergab geht. Wir brauchen eine neue Orientierung. Warum kann der Kohlepreis nicht vernünftig sein? Warum können die Zechen nicht wirtschaftlich haushalten? Warum holte man Hunderttausende von Fremdarbeitern in den Bergbau, steigerte die Förderung und jammerte dann, wenn die nicht absetzbaren Kohlen auf Halde kamen und täglich noch kommen? Warum gibt es keine Rentabilität auf den Zechen? Nicht mehr – früher gab es sie! Warum geht die Kohle nicht weg von dem wahnsinnigen Gedanken, deutsches Brennmaterialmonopol zu sein und deshalb den Preis diktieren zu können? Nun, da das Öl im Vormarsch ist, billig, sauber und schnell, nun schreit man Ach und Weh und will man vom Staat Subventionen, zwingt man dem Püttmann Feierschichten auf, trägt man sich mit dem Gedanken, Zechen zu schließen und die Bergleute umzusiedeln. Ist das ein Weg? Ist das Logik? Kann man mit solchem Humbug die Lage meistern? Ich sage nein, abgesehen davon, daß man im Püttmann keinen Gegenstand sehen sollte, der nach Belieben hin- und hergeschoben werden kann.«
Das Aufsichtsratsmitglied war etwas bleich geworden und sehr steif. »Danke!« sagte der Herr. »Das genügt mir.«
Er ging davon. Kurt stellte sich an die getäfelte Wand, blickte über den Saal und die Köpfe der Anwesenden, sah, wie der Herr Generaldirektor erregt auf Dr. Sassen
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