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Die schöne Ballerina (German Edition)

Die schöne Ballerina (German Edition)

Titel: Die schöne Ballerina (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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sagte sie sich, unsere Beziehung auf eine freundschaftliche Basis zu bringen. Wenn ich für Ruth etwas erreichen will, muss ich zwar ein gutes Verhältnis zu ihrem Onkel bewahren, aber so, als hätte ich geschäftlich mit ihm zu tun.
    Bevor sie die Tür öffnete, legte sie eine Hand auf die Magengegend, um ihre Nerven zu beruhigen. Sie nahm sich vor, Seth gegenüber zwar nett und freundlich zu bleiben, doch auf genügend Abstand zu achten.
    Er trug eine dunkelbraune Baumwollhose und einen sandfarbenen Rollkragenpullover. Seine starke männliche Ausstrahlung traf sie wie ein Schlag. Sie hatte vorher schon ein oder zwei Männer mit einer so ausgesprochen sexuellen Aura kennengelernt. Nick Davidov war der eine und ein Choreograph, mit dem sie zusammengearbeitet hatte, der zweite. In beider Leben hatte es ständig Frauen gegeben. Eine Geliebte war vergessen, sobald die nächste auf der Bildfläche erschien.
    Sei vorsichtig, dachte Lindsay, sehr vorsichtig!
    Sie begrüßte Seth mit einem freundlichen »Hallo«, hängte sich eine kleine Tasche aus grob gewebtem Leinen über die Schulter und zog die Tür hinter sich ins Schloss. Dann hielt sie Seth ganz selbstverständlich die Hand hin.
    »Wie geht es dir?«
    »Bestens.«
    Mit einem leichten Druck seiner Hand hinderte er sie daran, die Treppe sofort hinunterzugehen. So standen sie genau da, wo sie sich am Abend vorher umarmt hatten. Lindsay wusste, dass auch Seth daran dachte. Als sie ihn anzusehen wagte, bemerkte sie seinen prüfenden Blick.
    »Und wie geht es dir?«
    »Gut«, brachte sie heraus und kam sich ziemlich lächerlich vor.
    »Ganz bestimmt?«, fragte er und zwang sie, ihn weiter anzusehen.
    Lindsay überlief es heiß. »Ja, natürlich.« Das klang zu ihrer eigenen Überraschung wieder ganz normal. »Warum sollte es mir nicht gut gehen?«
    Als hätte ihn ihre Antwort befriedigt, drehte sich Seth um. Sie gingen zusammen zum Wagen. Heute wirkt er wieder ganz anders als gestern, fast fremd, dachte Lindsay und fühlte sich von diesem Fremden, ohne es zu wissen, noch stärker angezogen als je zuvor.
    Während Seth den Wagen für sie aufschloss, beobachtete sie drei Spatzen, die hinter einer Krähe herjagten. Amüsiert hörte sie das aufgeregte Gezwitscher und Gezirpe. Schließlich entkam die Krähe mit großen Flügelschlägen gen Osten.
    Lachend wandte sie sich Seth zu, und im selben Augenblick lag sie auch schon in seinen Armen.
    Im ersten Moment war sie zu überrascht, um irgendetwas zu empfinden, aber dann, als sein Gesicht dem ihren so nahe war, schien sich ihr ganzes Sein auf dieses Gesicht zu konzentrieren. Ihre Lippen öffneten sich einladend, und ihre Augenlider schienen immer schwerer zu werden.
    Dann fielen ihr plötzlich ihre guten Vorsätze ein. Sie schluckte, wich zurück und stieg schnell in den Wagen. Erst als Seth die Tür hinter ihr zuschlug, atmete sie erleichtert auf. Sie beobachtete, wie er um den Wagen herum zur Fahrerseite ging.
    Ich darf nicht zulassen, dass mir die Situation wieder aus der Hand gleitet. Ich muss mich viel besser unter Kontrolle haben. Sie wiederholte die Sätze wie eine Beschwörungsformel.
    Sobald Seth neben ihr saß, versuchte sie ihn in eine Unterhaltung zu ziehen.
    »Hast du eine Vorstellung, wie viele Augen in diesem Moment auf uns gerichtet sind?«
    Seth ließ den Motor an, fuhr aber noch nicht los. »Nein. Meinst du wirklich, es schaut einer zu?«
    »Einer? Dutzende.« Lindsay senkte verschwörerisch ihre Stimme. »Hinter jedem Vorhang. Wie du siehst, mache ich mir nicht viel daraus. Aber ich bin ja von der Bühne her an Publikum gewöhnt. Ich hoffe nur, du lässt dich nicht nervös machen.«
    »Aber kein bisschen«, erwiderte Seth, drängte sie gegen die Rückenlehne ihres Sitzes und drückte ihr einen schnellen, heftigen Kuss auf den Mund, der Lindsay sogleich wieder in inneren Aufruhr versetzte. »Wenn sich die Leute schon die Mühe machen, wollen sie doch von uns nicht enttäuscht werden! Meinst du nicht auch?«
    »Mmm«, war alles, was Lindsay hervorbrachte.
    Sie rückte schnell von ihm weg. Da habe ich mich ja fein unter Kontrolle gehabt, schimpfte sie sich innerlich selbst aus.
    Cliff House war weniger als vier Kilometer von Lindsays Elternhaus entfernt, aber es stand hoch über der Stadt, oberhalb des vor der Küste aufragenden Bergzuges. Es war aus Granit gebaut. Wenn man die Straße hinauffuhr, wirkte es, als wäre es direkt aus dem Felsen herausgeschlagen – trotzig, fast ein wenig drohend, wie eine kleine

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