Die schöne Ballerina (German Edition)
Tür hinter sich schloss. »Dabei dachte ich, du könntest heute ein wenig Ruhe brauchen, nachdem es gestern so spät geworden ist.«
Lindsay küsste sie auf die leicht gepuderte Wange. »Woher weißt du das? Hat Mutter dich angerufen?«
Carol strich Lindsay lachend über das lange Haar. »Natürlich. Aber ich wusste es schon vorher. Hattie Mac Donald«, erklärte sie. »Sie hat gesehen, wie er dich abgeholt hat, und mir gleich die neuesten Nachrichten weitergegeben. Ja, ja, so sind die lieben Nachbarn.«
»Wie schön, dass ich zu eurer Samstagabendunterhaltung beitragen konnte«, erwiderte Lindsay trocken.
Carol betrat das Wohnzimmer und warf Tasche und Jacke auf das Sofa. »War es denn wenigstens nett?«
»Ja. Doch.«
Lindsay hatte plötzlich etwas an ihrem Tennisschuh zu befestigen. Carol sah ihr schweigend dabei zu.
»Wir haben weiter oben an der Küste zu Abend gegessen.«
»Und wie ist er?«
Lindsay sah kurz auf und wandte ihre Aufmerksamkeit sogleich dem anderen Schuh zu. »Ich weiß nicht recht. Interessant. So viel ist sicher. Im Ganzen ziemlich überwältigend. Und sehr selbstsicher. Ab und zu ein wenig formell. Und … und ich glaube, er kann auch sehr geduldig und einfühlsam sein.«
Carol hörte den Ton ihrer Stimme und wusste Bescheid. Sie seufzte, denn obgleich auch sie wusste, dass Lindsay niemals Andys Frau werden würde, hatte sie sich immer noch ein ganz kleines bisschen Hoffnung in dieser Hinsicht gemacht. »Du scheinst ihn zu mögen.«
»Ja …« Lindsay richtete sich auf. »Ich glaube es wenigstens. Wusstest du, dass er der Architekt S. N. Bannion ist?«
Carol hatte offensichtlich noch nichts davon gewusst. Sie zog ihre Brauen fragend hoch. »Wirklich? Ich dachte, dieser Bannion hätte eine Französin geheiratet, eine Rennfahrerin.«
»Anscheinend doch nicht.«
»Das ist ja interessant.« Carol stützte die Hände in die Hüften, wie immer, wenn sie wirklich beeindruckt war. »Weiß deine Mutter das schon?«
»Nein, sie …« Lindsay warf über die Schultern einen Blick zum Schlafzimmer ihrer Mutter. »Ich fürchte, ich habe sie gestern gekränkt. Sie hat heute noch nicht mit mir gesprochen.«
»Lindsay.« Carol strich ihr leicht über die Wange, als sie den Schatten auf Lindsays Gesicht bemerkte. »Du darfst es dir nicht so nahe gehen lassen.«
Lindsay wirkte plötzlich sehr verletzlich. »Manchmal scheine ich eine besondere Begabung zu haben, alles falsch zu machen, und dabei schulde ich ihr …«
»Lass das!« Carol packte sie energisch bei der Schulter und schüttelte sie kurz. »Es ist einfach lächerlich, wenn Kinder meinen, sie müssten ihr Leben lang den Eltern irgendwas zurückzahlen. Das Einzige, was du Mary schuldest, sind Liebe und Respekt. Wenn du immer nur tun würdest, was sie will, würdet ihr schließlich beide unglücklich. So«, sie strich Lindsay über das Haar, »und damit für heute genug der weisen Sprüche! Jetzt will ich Mary zu einer Spazierfahrt überreden.«
Lindsay warf ihr die Arme um den Hals. »Was machten wir nur ohne dich!«
Carol freute sich über die herzliche Geste. »Magst du nicht mitkommen? Wir könnten erst ein wenig in der Gegend herumfahren und dann irgendwo ein schnuckeliges kleines Mittagessen zu uns nehmen.«
»Nein, das geht leider nicht. Seth wird mich gleich abholen, um mir sein Haus zu zeigen.«
»Ach ja, er hat dein geliebtes Cliff House gekauft.« Carol nickte verständnisvoll. »Dieses Mal kannst du es dir sogar bei Tageslicht ansehen.«
»Meinst du, ich könnte vielleicht enttäuscht sein?«
»Das bezweifle ich.« Carol ging durchs Zimmer. »Viel Spaß wünsche ich dir auf jeden Fall, und du brauchst dich wegen des Abendessens nicht zu beeilen. Deine Mutter und ich werden irgendwo unterwegs essen.«
Bevor Lindsay darauf antworten konnte, klingelte es an der Tür.
»Da ist schon dein junger Mann«, rief Carol im Hinausgehen.
Lindsay blieb zögernd stehen. Ihr war gar nicht wohl zumute, wenn sie an die Szene vom vergangenen Abend dachte. Sich selbst gegenüber hatte sie die überstarken Empfindungen damit zu erklären versucht, dass sie so selten mit Männern ausging, und sie glaubte auch, die romantische Stimmung des Abends hätte dazu beigetragen. Sie hatte eben für einen Augenblick den Kopf verloren.
Von nun an wollte sie immer daran denken, dass Seth ein bekannter Frauenheld war, der jede seiner bisherigen Eroberungen nach kurzer Zeit wegen einer anderen Schönen wieder verlassen hatte. Es muss mir gelingen,
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