Die schöne Ballerina (German Edition)
Felsen tief unten.
»Ich will mit dir schlafen.«
Seine Lippen an ihrem Ohr verursachten schmerzhaftes Begehren. Lindsay schob ihn von sich.
Einen Augenblick lang sagte sie gar nichts, sondern stand nur da, rang nach Atem und starrte ihn an.
»Du musst das verstehen«, begann sie und hielt inne, weil die Stimme ihr kaum gehorchte. »Versteh mich doch! Ich kann nicht nur mal eben für eine Nacht mit jemandem ins Bett gehen. Ich bin nicht dafür geschaffen, nur Sex zu genießen. Ich brauche mehr als das.«
Wieder wischte sie ein paar Strähnen aus dem Gesicht. »Ich habe nicht so viel Erfahrung wie du, Seth. Du darfst an mich nicht den gleichen Maßstab legen wie an die anderen Frauen in deinem Leben. Mit ihnen kann ich nicht konkurrieren.«
Sie wollte sich von ihm abwenden, doch er zog sie am Arm zurück und hielt ihr Gesicht fest. »Glaubst du wirklich, wir könnten das, was zwischen uns gewesen ist, einfach rückgängig machen?«
»Ja«, flüsterte sie, doch sie war sich ihrer Sache durchaus nicht sicher. Dann wiederholte sie laut, als wolle sie nicht nur ihn, sondern auch sich selbst überzeugen: »Ja! Wenn es sein muss!«
»Ich will dich heute Abend sehen!«
»Nein! Das geht auf gar keinen Fall!« Er war ihr zu nahe, deshalb wich sie weiter zurück.
»Lindsay! Lindsay, ich werde nicht zulassen, dass du alles, was zwischen uns war, einfach wegwirfst!«
»Das Einzige, was wir noch gemeinsam haben, ist Ruth. Es würde für uns beide einfacher sein, wenn wir immer daran denken würden.«
»Einfacher?« Ein halbes Lächeln erschien in seinem Mundwinkel. Er griff nach einer Strähne ihres zerzausten Haares. »Ich glaube nicht, dass du zu den Frauen gehörst, die mit einfachen Dingen zufrieden sind.«
»Du kennst mich eben nicht.«
Jetzt breitete sich das Lächeln auf seinem ganzen Gesicht aus. Er umfasste ihre Schultern und führte sie entschlossen ins Haus zurück.
»Vielleicht hast du recht. Vielleicht kenne ich dich wirklich noch nicht richtig«, stimmte er fast fröhlich zu. »Aber ich werde dich kennenlernen! Darauf kannst du dich verlassen!«
7. K APITEL
Ruth war nun schon seit fast einem Monat in Lindsays Schule. Unterdessen war es kalt geworden, und der Schnee würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Lindsay ließ die alte Zentralheizung auf vollen Touren laufen und hoffte, sie würde diesen Winter ohne zusätzliche Reparaturkosten überstehen.
Heute gab sie die letzte Unterrichtsstunde. Über ihr Trikot hatte sie eine Hemdbluse gezogen und sie in der Taille zu einem Knoten geschlungen. Sie schritt die Reihe ihrer in Linie aufgestellten Schülerinnen ab, um deren Haltung zu begutachten. Dann gab sie die Kommandos zu den nächsten Figuren.
» Glissade ! Arabesque und Spitze!«
Mit ihrer besten Klasse war sie äußerst zufrieden. Die Mädchen machten gute Fortschritte und zeigten zunehmendes Verständnis für die Verbindung zwischen Musik und Bewegung.
Aber je länger Ruth in dieser Klasse war, desto mehr zeigte sich, dass sie nicht da hineingehörte. Ihr Talent war dem der anderen haushoch überlegen und konnte sich bei den Anforderungen, die an ihre Mitschülerinnen gestellt wurden, nicht richtig entfalten.
Ihre Begabung wird verschwendet, dachte Lindsay bitter, als sie Ruth beobachtete. Langsam wurde aus ihrer Enttäuschung über Seths Starrsinn regelrechter Groll. Warum wollte er nicht einsehen, dass seine Nichte nach New York gehörte?
Lindsay machte einer ihrer Schülerinnen ein Zeichen, das Kinn höher zu heben, und überlegte: Wie kann ich ihn nur überzeugen? Wenn nicht schon bald etwas geschieht, kann es für Ruth zu spät sein. Die kostbare Zeit kann sicher nie wieder eingeholt werden.
Der Gedanke an Seth lenkte ihre Aufmerksamkeit von den Schülerinnen ab. Wenn sie sich selbst gegenüber ehrlich war, musste sie zugeben, dass sie in den letzten Wochen ständig an ihn hatte denken müssen. Zuerst hatte sie sich einzureden versucht, ihre Zuneigung zu ihm würde mit der Zeit nachlassen und schwächer werden. Aber das war Selbstbetrug. Kein Tag verging, ohne dass sie nicht an ihn dachte.
Die Erinnerung an seine Berührungen, seine Stimme, und das Glück, das sie in seinen Armen empfunden hatte, ließ sich nicht einfach verdrängen. Ob sie am Morgen ihren Kaffee trank, abends noch spät allein im Studio arbeitete oder ohne Grund mitten in der Nacht aufwachte – immer fragte sie sich, was Seth wohl in diesem Augenblick machte.
Bis jetzt hatte sie jedoch der Versuchung, Ruth
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