Die schöne Ballerina (German Edition)
schnittigen ausländischen Wagen auf dem Platz bemerkt hatte.
Lindsay warf desinteressiert einen Blick hinüber. »Ich kann mir nicht denken …«
Mitten im Satz hielt sie inne. Ihre Augen weiteten sich. Langsam, als könne sie nicht glauben, was sie sah, stieg sie aus dem Wagen. Dann erkannte sie den Mann, der im schwarzen pelzbesetzten Mantel die Treppe vom Studio herunterkam.
»Nikolai!«
Während sie seinen Namen rief, rannte sie ihm schon entgegen und warf sich in seine Arme.
Nick lachte, hielt sie ein wenig von sich ab und küsste sie auf die Wange. Er war zu sehr auf Lindsay konzentriert, um zu bemerken, dass Ruth ihren Onkel aufgeregt in die Seite stieß und »Davidov« flüsterte.
»Hallo, mein Vögelchen«, rief er begeistert.
Lindsay konnte zuerst gar nichts sagen. Sie drückte nur ihr Gesicht an seine Schulter. Dann nahm Nick sie bei den Armen und hielt sie ein wenig von sich ab, und Lindsay sah, dass er sich kaum verändert hatte, seit sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte.
Er wirkte immer noch sehr jungenhaft. Seine Wimpern waren fast zu lang und dicht für einen Mann. Der Mund war fest und großzügig geschwungen und sein dunkelblondes Haar lockig. Er machte sich nie die Mühe, es zu kämmen, sondern pflegte nur mit den Fingern hindurchzufahren, wodurch es immer zerzaust wirkte. Und Nick wusste genau, wie gut ihm das stand. Er war knapp eins achtzig groß, also auch von der Statur her ein sehr passender Partner für Lindsay.
»Oh Nick, du hast dich überhaupt nicht verändert.«
»Aber du, du hast dich verändert.« Er lachte sie strahlend an. »Du bist zwar immer noch mein Vögelchen, meine ptitschka , aber wie kommt es, dass du noch schöner geworden bist?«
»Ach Nick, wenn du wüsstest, wie sehr ich dich vermisst habe!« Lindsay küsste ihn auf die Augen und auf den Mund. »Nun sag mir aber, wie du so plötzlich hierher gekommen bist.«
»Du warst nicht zu Hause, also bin ich hierher gefahren. Ich sagte dir, ich komme im Januar, nicht? Ich bin nur ein bisschen früher gekommen, das ist alles. Aber wo hast du deine guten Manieren gelassen, ptitschka ?«
»Oh, entschuldigt bitte, aber ich war so überrascht … Seth, Ruth, das ist Nikolai Davidov. Nick, darf ich dich mit Seth und Ruth Bannion bekannt machen? Ruth ist die Schülerin, von der ich dir erzählt habe.«
Ruth starrte Lindsay überrascht an und wurde dunkelrot vor Freude.
»Es ist mir ein Vergnügen, Freunde von Lindsay kennenzulernen.« Er schüttelte Seth die Hand. Dann fragte er: »Sind Sie nicht zufällig der Architekt Seth Bannion?«
»Doch.«
Nick klopfte ihm vor Vergnügen auf die Schulter. »Ah, das ist gut! Ich habe gerade ein Haus, das Sie entworfen haben, in Kalifornien gekauft. Es steht am Strand und hat viele Fenster, so dass man das Meer im Wohnzimmer hat.«
Er ist so überschwänglich, dachte Lindsay, so ganz anders als Seth, und doch besteht eine gewisse Ähnlichkeit zwischen beiden.
»Ich kann mich an das Haus erinnern. In Malibu, nicht wahr?«
»Ja, ja, in Malibu«, rief Nick offensichtlich entzückt. »Man nannte es ehrfurchtsvoll ein Frühwerk von Bannion, so als wären Sie schon lange tot.«
Seth lächelte. »Das steigert den Marktwert.«
Auch Seth kann sich Nicks Charme nicht entziehen, dachte Lindsay.
Nikolai lachte zustimmend. Er hatte gerade den Blick bemerkt, mit dem Lindsay Seth angesehen hatte, und dachte: Also aus dieser Richtung weht der Wind. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit Ruth zu.
»Also das ist die junge, begabte Tänzerin, von der du mir erzählt hast.« Er nahm ihre beiden Hände. Eine Schönheit, dachte er. Dunkel. Feingliedrig. Wenn man sie richtig schminkt, wird sie exotisch wirken. Und ihre Größe ist gerade richtig.
»Mr Davidov«, stotterte Ruth. Dass der große Nikolai Davidov vor ihr stand und mit ihr redete, konnte sie immer noch nicht recht fassen.
Er tätschelte beruhigend ihre Hände und meinte: »Sie müssen mir sagen, ob Lindsay sich immer so unmöglich benimmt. Wie lange lässt sie normalerweise ihre Freunde draußen in der Kälte stehen?«
»Oje! Ich bin wirklich schlimm. Doch du hast mich mit deinem plötzlichen Erscheinen so umgeworfen, dass du von mir kaum normales Verhalten erwarten kannst.« Lindsay zog hastig die Schlüssel aus der Tasche und öffnete die Tür. »Aber ich kann nur wiederholen: Du hast dich kein bisschen verändert!«
Nikolai trat hinter ihr ins Studio. Er zog seine Handschuhe aus und schlug damit gedankenverloren in die eine Hand,
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