Die schöne Betrügerin
worden, um eine weitere Auszeichnung für sein. »Opfer« entgegenzunehmen – jene Tat, die sich offiziell nie ereignet hatte.
Der neue Orden wog schwer an seiner Brust, lag wie ein Ziegelstein auf seinem Herzen und machte ihm das Atmen schwer. James hob ihn am Band hoch und studierte das goldene Rund im wechselnden Licht der Straßenlaternen, das in die halb offene Kutsche fiel.
Die der Welt zugewandte Seite zeigte König George im Profil, oder zumindest wie er vor Jahren im Profil ausgesehen hatte. In der Version, die James kürzlich im Palast gesehen hatte, hatte George jedenfalls ein Doppelkinn.
Er drehte den Orden auf die Seite, die er auf dem Herzen tragen sollte. Zwei geschwungene Lorbeerzweige umrahmten seinen Namen und die eingravierten Worte »Virtutis Honor«.
James ließ den Orden sinken. Mutiges Ehrgefühl. Ja sicher, er hatte die Kugel, die für den Premierminister bestimmt gewesen war, mit seiner Schulter abgefangen. Was weniger ein Akt des Heldenmuts gewesen war, sondern seine Pflicht nach allem, was seine Affäre mit Lavinia angerichtet hatte.
Er kreiste mit der Schulter und spürte, wie die verletzten Muskeln und Sehnen sich spannten. Ein kleiner Preis für eine große Dummheit. Nicht hoch genug für einen Mann, den seine Begierde in die Fänge einer schönen französischen Spionin getrieben hatte, die dann wie auf einer billigen Flöte auf ihm gespielt hatte, während er dazu die Namen seiner Kameraden gesungen hatte.
Sie hatte ihm Drogen gegeben, Aphrodisiaka hatte sie gesagt – Drogen, die er bereitwillig, ja begierig, genommen hatte. Und er hatte erschöpft und keuchend neben ihr im Bett gelegen und sich von ihr Dinge entlocken lassen, von denen er geglaubt hatte, er würde lieber sterben, als sie preiszugeben.
konnte sich nicht daran erinnern, irgendetwas ausgeplaudert zu haben. Auch nicht, als Lavinia aufgehört hatte, ihm Liebe vorzugaukeln, und ihn auf diesem klapperigen Kahn vor der englischen Küste gefangen gehalten und ge schlagen hatte. Er hatte geglaubt, sich ihr erfolgreich widersetzt zu haben, auch noch im Drogennebel. Doch die Toten straften diesen Glauben Lügen.
Doch er erinnerte sich an seine Flucht. Er erinnerte sich an die lange, fast unbezwingbare Strecke, die er zur Küste geschwommen war, an den zermürbenden Fußmarsch und den barmherzigen Mann auf dem Pferdekarren, der ihn nach London und zum Haus seiner Schwester gebracht hatte.
Und nichts würde ihn je den Augenblick vergessen lassen, als Simon Raines ihm gesagt hatte, wie viele von den Liars zu Tode gekommen waren. Nichts konnte ihn je die Tatsache vergessen lassen, dass sein bester Freund Ren Porter noch immer reglos und still in einem Privathaus hier in London zu Bett lag. Genau wie der ehemalige Chef-Codierer Weatherby. Beide hatten die besten Krankenschwestern und doch kaum Hoffnung auf Heilung.
Beide waren überfallen worden, nachdem sie an Lavinia und ihre Handlanger verraten worden waren. Von ihm. Dem Helden.
Virtutis Honor.
Ihm tat der Magen weh.
9. Kapitel
Nicht arg weit entfernt in einer weniger vornehmen, aber immer noch überaus respektablen Gegend der Stadt, lagen zwei Männer in einem abgedunkelten Raum.
Mrs. Neely, die Krankenschwester, hielt die Hand vor die Kerze, als sie den Raum betrat, obwohl ihre Schutzbefohlenen vermutlich kaum über das störende Licht klagen würden. Trotzdem war sie vorsichtig. Das hier war die beste Stellung, die sie je gehabt hatte, sie wollte sie nicht riskieren.
Mrs. Neely hatte in jüngeren Jahren in einigen Hospitälern und Privatsanatorien gearbeitet, doch nie war man ihr mit solchem Respekt und solcher Großzügigkeit begegnet, wie Mr. Cunnington und seine Freunde es taten. Die meisten Schwestern wurden kaum besser als Packesel behandelt – wenn nicht gar schlechter. Es war eine Arbeitsstelle, auf die sich Dienstboten meldeten, die keine Chance hatten, in einem Haushalt mit qualifiziertem Personal unterzukommen.
Doch der Vater von Mrs. Neely war Arzt gewesen, wenn auch kein wohlhabender, und hatte ihr seine Begabung, Kranke zu heilen, vererbt. Als sie für die Pflege dieser beiden armen Gentlemen engagiert worden war, hatte es nur eines Blickes auf die beiden bedurft, und sie hatte ihr Herz verloren.
Nicht im romantischen Sinne, Gott behüte, doch nicht in ihrem Alter! Aber nie zuvor hatten Patienten sie so gebraucht wie diese beiden. Sie fütterte sie, badete sie mit Hilfe eines Lakaien, kämmte ihnen das Haar und rasierte sie.
Sie las ihnen vor und
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