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Die schöne Betrügerin

Die schöne Betrügerin

Titel: Die schöne Betrügerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celeste Bradley
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Tochter – das bedeutete Dechiffrierschlüssel – und Dechiffrierschlüssel bedeuteten, dass er endlich Lavinias Briefe würde lesen können. Mit etwas Glück hatte er die Beweise, die Liverpool sehen wollte, binnen Tagen in der Hand.
    Die Tür ging auf, und Robbie kam mit trübsinniger Miene herein.
    James war überrascht. »Was, sind deine Schulstunden schon vorbei? Wo ist Phillip?«
    Robbie zuckte die Achseln. »In seinem Zimmer, glaub ich. Er hat mich weggeschickt; er sagt, er fühlt sich nicht wohl.«
    James legte die Gabel weg, beugte sich vor und stützte die Ellenbogen auf den Tisch. »Fühlt sich nicht wohl, wie? Sei nicht traurig, er hat mir erzählt, er habe gestern Post mit schlechten Nachrichten bekommen. Bis zum Abendessen ist er bestimmt wieder munter.«
    Robbie zuckte wieder die Schultern. Ach ja, die übliche unverbindliche Geste aller jungen Männer seiner Spezies. James erinnerte sich, wie er früher selbst ständig die Schultern gezuckt hatte.
    »Ich fürchte, ich bin schon so gut wie weg.«
    Robbie setzte sich James gegenüber hin, sank in die Kissen und war offensichtlich zutiefst bedrückt. James zügelte seine Ungeduld. Er hatte viel zu tun. »Ich muss in ein paar Minuten los.«
    Robbie sprang abrupt auf. »Warte hier!« Er galoppierte davon und verschob vor lauter Hast beim Laufen den Teppich.
    James entschied, die paar ruhigen Minuten, die Robbies Abgang ihm bescherten, zu nutzen, und griff zur Gabel. Nur ein paar Bissen noch und dann zur Tür hinaus und nichts wie los. Er hatte gerade ein paar Happen zu sich genommen, da sah er Robbie auch schon wieder atemlos unter der Tür stehen, die selbst gebastelte Fibel in der Hand.
    »Ich will dir vorlesen!«
    James staunte nicht schlecht. »Vorlesen, jetzt schon? Aber Phillip ist doch gerade mal fünf Tage da.«
    »Ich bin eben ein kluger Kopf. Sagt Mister Walters jedenfalls.«
    James machte den Mund auf, um Robbie einmal mehr zu vertrösten, doch das hoffnungsvolle Leuchten in Robbies blauen Augen ließ ihn innehalten. Er zuckte die Achseln und schickte sich ins Unvermeidliche. Zwei Sessel wurden zusammengerutscht, und schon arbeitete Robbie sich rasch durch seine Fibel.
    »H steht für Handkarren.«
    James sah Robbie skeptisch an. »Woher weißt du, dass da ›Handkarren‹ steht. Schaust du dir einfach nur das Bild an?«
    Die Zeichnung zeigte einen Karren, der vor einem Haus auf der Straße stand. Robbie schüttelte den Kopf. »Nein, wirklich nicht. Obwohl es natürlich ein verdammt gutes Bild ist.«
    »Danke«, sagte James trocken.
    »Schau her, ich kenne die Buchstaben. H-A-N-D-K-A-R-R-E-N.« Er studierte die Seite einen Augenblick. »H kann auch für ›Haus‹ stehen.«
    James staunte. Er kannte sich mit diesen Dingen zwar nicht aus, aber Robbie schien wirklich schnell zu lernen. Offensichtlich hatte Phillip mit dieser Fibel den richtigen Riecher gehabt.
    Robbie rutschte in dem Sessel herum; er fühlte sich auf dem wuchtigen Möbel anscheinend unwohl. James schaute sich um – »Möchtest du dich lieber auf den Schemel setzen, dann reichst du mit den Füßen bis auf den Boden?«
    Robbie zuckte die Schultern. James schaute weg. Der Himmel gebe mir Geduld. Er holte tief Luft. »Rob, willst du lieber auf irgendwas anderem hier sitzen?«
    Robbie nickte, ohne James anzusehen. »Phillip lässt mich immer bei sich auf dem Stuhl sitzen.«
    »So.« James zwinkerte ihm zu. »Wie… informell.«
    Robbie fasste das offenkundig als Erlaubnis auf. Ein blitzschnelles Gewirr aus knochigen Knien und Ellenbogen, und schon hockte er neben James in dem großen Sessel. Er legte die Fibel auf die Knie, machte mit I und J weiter und blätterte um.
    »K ist für Katze auf dem Kohlenkasten.«
    James saß nur da und hörte ihm zu. Der verschwitzte kleine Körper des Buben verströmte eine enorme Hitze. James hatte in seinem Leben kaum je Gelegenheit gehabt, ein Kind so nah bei sich zu haben – und um ehrlich zu sein, er hatte auch kein Bedürfnis danach.
    Nun rutschte er im Sessel herum. Doch Robbie kuschelte sich nur umso enger an ihn. Während er halbherzig zuhörte, fragte sich James, ob er je zusammen mit seinem Vater in einem Sessel gekuschelt hatte. Und mit seiner Mutter? Er konnte sich vage erinnern, wie sie den Arm um ihn gelegt hatte, während er ihr vorgelesen hatte. Vielleicht war Kuscheln eher etwas für Mütter.
    Aber Robbie hatte niemanden außer James. Keine Mutter und auch keinen richtigen Vater. Nur ein Haus voller Männer.
    Er hatte gedacht, dass

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